Nach der Haftungsrechtsprechung des BGH (vgl. BGH, Urt. v. 1.7.2007 – IX ZR 201/03, VersR 2007, 1374) hat der Rechtsanwalt bei Bearbeitung des Mandats dem Auftraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen, um zu einer sachgerechten Entscheidung zu gelangen. In diesem Sinne hat der Rechtsanwalt zeitnah Klarheit zum Haftungsgrund herbeizuführen. Versicherer zahlen in der Personenschadenregulierung regelmäßig unter Vorbehalt (vgl. Becker, zfs 2021, 664).
Dies eröffnet die Möglichkeit, noch im späteren Prozess den Unfallhergang zu bestreiten. Da sich für den Unfallgeschädigten die Beweissituation mit dem Zeitablauf verschlechtert, weil Zeugen sich nicht mehr genau erinnern oder aber die Örtlichkeit verändert wurde, führt dies zum Nachteil des Unfallgeschädigten. Hinzu kommt, dass Ansprüche über die nicht verhandelt wird, möglicherweise verjähren. Von daher ist zwingend zeitnah nach dem Unfall eine titelersetzende Erklärung beim Haftpflichtversicherer einzuholen (Umfang und Wortlaut: vgl. Becker, a.a.O., 2021, 664, 665). Der Verfasser stellt bei der Lektüre von Arbeitsproben (der Verfasser ist Vorsitzender des Vorprüfungsausschusses Verkehrsrecht der Rechtsanwaltskammer Köln), aber auch bei seinen Vorträgen immer wieder fest, dass Versicherer kurz vor Ablauf von drei Jahren aufgefordert werden, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Dies geschieht dann regelmäßig mit dem Wortlaut, dass auf die Einrede der Verjährung für weitere drei Jahre verzichtet wird, soweit nicht bereits Verjährung eingetreten ist.
Diese Vorgehensweise ist unnötig und haftungsträchtig. Wurde durch den Versicherer eine ordnungsgemäße titelersetzende Erklärung abgegeben, so sind entsprechend § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB die Ansprüche grds. auf die Dauer von 30 Jahren abgesichert.
Hinweis:
Allein bei wiederkehrenden Ansprüchen ist unabhängig von der Absicherung des Stammrechtes auf die dreijährige Verjährungsfrist der laufenden Ansprüche zu achten.
Da die titelersetzende Erklärung alle – selbst noch unbekannte – Ansprüche gegen Verjährung absichert, hat der Rechtsanwalt mit dieser Vorgehensweise den geschuldeten sicheren Weg gewählt. Um nicht zu späterer Zeit mit den Grundsätzen der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht agieren zu müssen, sollte darüber hinaus Sorge dafür getragen werden, dass die titelersetzende Erklärung von zeichnungsberechtigten Personen des Haftpflichtversicherers unterzeichnet wird. Wird bei Anforderung einer solchen Erklärung dann – wie z.B. bei der HUK-Coburg – auf eine schriftliche Erklärung verwiesen, wonach die Großschadenregulierer zur Abgabe entsprechender Erklärungen befugt sind, so wird diese Erklärung zusammen mit der titelersetzenden Erklärung zur Akte genommen. Wird die titelersetzende Erklärung nicht abgegeben, so besteht ein rechtliches Interesse an einer isolierten Feststellungsklage zum Haftungsgrund (vgl. Becker, a.a.O., 664, 666).