Die üblicherweise praktizierte außergerichtliche Schadenregulierung erfolgt beim Schmerzensgeldanspruch dergestalt, dass zur Vorbereitung der Bezifferung des sachgerechten Schmerzensgeldanspruchs entweder durch den Versicherer oder besser durch den Geschädigten Arztberichte eingeholt werden. Diese werden dann regelmäßig an den Versicherer übersandt und im Folgenden wird ein Schmerzensgeldanspruch beziffert. Diese Vorgehensweise kann zu Haftungsrisiken beim tätigen Rechtsanwalt führen, die u.a. auf der Rechtsprechung des BGH zur Einheitlichkeit des Schmerzensgeldanspruchs beruht. Nach der Rechtsprechung des BGH gebietet es der Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldanspruchs, dass die Höhe des dem Geschädigten zustehenden Schmerzensgeldanspruchs aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung der den Schadenfall prägenden Umstände unter Einbeziehung der absehbaren künftigen Entwicklung des Schadenbildes bemessen wird (vgl. BGH, Urt. v. 20.1.2004 – VI ZR 70/03, NJW 2004, 1243). Dies führt bei der notwendigen Bezifferung des Schmerzensgeldes dazu, dass der sachbearbeitende Rechtsanwalt sich nicht nur Klarheit darüber verschaffen muss, welche Verletzungsfolgen bereits eingetreten sind, sondern er muss weitergehend prüfen, ob mögliche Verletzungsfolgen noch eintreten können. Hier wird er regelmäßig überfordert sein. Von daher ist der sachbearbeitende Rechtsanwalt gut beraten, sich medizinischen Rats zu bedienen. In diesem Sinne sollte ein nicht in die Behandlung eingebundener Mediziner im Sinne einer Gutachtenerstellung befragt werden, welche weitergehenden Gesundheitsbeeinträchtigungen möglich sind (vgl. zur Vertiefung Becker, zfs 2017, 427 ff.). Die insoweit aufzuwendenden Kosten für die ärztlichen Gutachten hat der Haftpflichtversicherer zu erstatten (vgl. Becker, a.a.O., 427, 429; AG Gummersbach, Urt. v. 28.9.2016 – 10 C 56/15; LG Köln, Beschl. v. 14.2.2017 – 9 S 210/16). Der durch einen unbeteiligten Sachverständigen beratene Rechtsanwalt wird dann nach Rücksprache mit der Mandantschaft zu entscheiden haben, ob er bei der Bezifferung des Schmerzensgeldanspruchs diese zukünftigen möglichen weitergehenden Beeinträchtigungen einpreist oder aber ob er den Weg der offenen Teilklage wählt.
Versicherer wenden häufig ein, dass eine Teilklage nicht zulässig sei. Sie begründen dies mit der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldanspruchs. Das Gegenteil ist richtig. Ein Teil-Schmerzensgeld kann außergerichtlich und im Zweifel durch offene Teil-Schmerzensgeldklage geltend gemacht werden, wenn sich die künftige Entwicklung noch nicht überschauen lässt, weshalb das insgesamt angemessene Schmerzensgeld noch nicht endgültig beurteilt werden kann und sich deshalb das Gericht außerstande sieht, den Betrag in voller Höhe zu ermitteln. Bereits das Reichsgericht (RG, Warn 1917 Nr. 99, S. 143, 144) hat es für zulässig erachtet, den Betrag des Schmerzensgelds zuzusprechen, der dem Verletzten zum Zeitpunkt der Entscheidung mindestens zusteht und später den zuzuerkennenden Betrag auf die volle abzuschätzende Summe zu erhöhen, den der Verletzte aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung der für den immateriellen Schaden maßgeblichen Umstände beanspruchen kann, wenn sich nicht endgültig sagen lässt, welche Änderungen des gesundheitlichen Zustands noch eintreten können. Der BGH hat diese Rechtsprechung fortgeführt und ausdrücklich die offene Schmerzensgeldteilklage für zulässig erachtet (BGH, Urt. v. 20.1.2004 – VI ZR 70/03, VersR 2004, 1334, 1335; BGH, Urt. v. 10.7.2018 – VI ZR 259/15, VersR 2018, 1462). Dass der sachbearbeitende Rechtsanwalt häufig gut beraten sein wird, den Schmerzensgeldanspruch im Wege der offenen Schmerzensgeldteilklage geltend zu machen, zeigt nachdrücklich die Entscheidung des OLG Düsseldorf aus dem Jahre 2021 (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.4.2021 – 1 U 152/20, VersR 2022, 326 ff.). Der Ls. 1 der Entscheidung lautet wie folgt:
Zitat
"Verlangt der Geschädigte wegen der Chronifizierung seiner unfallbedingten, behandlungsbedürftigen Erkrankung ein weiteres Schmerzensgeld, kann dem die Rechtskraft des vorangegangenen Schmerzensgeldurteils entgegenstehen."
Das OLG hat dann in den Entscheidungsgründen ausgeführt:
Zitat
"Wegen der vielfältigen Hinweise der Sachverständigen auf die Behandlungsbedürftigkeit der Erkrankung hatte die Klägerin im Vorprozess Gelegenheit wie auch Anlass, entweder einen Aufschlag auf das Schmerzensgeld wegen des fortbestehenden Risikos der Chronifizierung geltend zu machen oder aber sich auf eine offene Teilklage zu beschränken, mit der die mögliche aber noch nicht eingetretene Schadenfolge (Chronifizierung) aus der Schmerzensgeldbemessung herausgenommen worden wäre."
Die zuvor zitierte Entscheidung des OLG Düsseldorf belegt einen anwaltlichen Handlungsfehler.
Der BGH hat sich schon in den 1980er Jahren (vgl. BGH, Urt. v. 8.7.1980 – VI ZR 72/79, VersR 1980, 175, 976). mit der Rechtskraft eines Schmerzensgeldurteils hinsichtlich weiterer Verletzungsfolgen befasst. Der Ls. 2 dieser Entscheidung lautet w...