1. Gemeinsames Sorgerecht beider Eltern
Das Recht der elterlichen Sorge steht verheirateten Eltern kraft Gesetzes gemeinsam zu. Gerichtliche Entscheidungen über das Sorgerecht verheirateter oder geschiedener Eltern sind nur im Falle einer Trennung oder Scheidung erforderlich (s.u. S. 1315).
Bei nicht verheirateten Eltern stellt sich in der Praxis erst einmal die Frage, ob gemeinsame elterliche Sorge hinsichtlich der gemeinsamen Kinder besteht bzw. wie diese begründet werden kann (s.u. S. 1323). Trennen sich die unverheirateten Eltern, gilt ein bestehendes gemeinsames Sorgerecht ebenfalls fort. Aber auch hier kann eine gerichtliche Entscheidung über das Sorgerecht erforderlich werden.
Leben die Eltern des Kindes getrennt und lebt das Kind bei einem Elternteil (der Sonderfall des Wechselmodells wird in diesem Beitrag nicht behandelt), hat damit dieser Elternteil auch die alleinige Entscheidungskompetenz über die Angelegenheiten des täglichen Lebens (§ 1687 Abs. 1 S. 2 BGB). Dagegen ist für Regelungen, die für das Kind von erheblicher Bedeutung sind, bei gemeinsamem Sorgerecht das Einverständnis des anderen Elternteils erforderlich (§ 1687 Abs. 1 S. 1 BGB).
2. Inhalt des Sorgerechts
Das Sorgerecht umfasst die Personen- sowie die Vermögenssorge (§ 1626 Abs. 1 BGB) einschließlich der gesetzlichen Vertretung des Kindes auch in gerichtlichen Verfahren (§ 1629 BGB).
Die – praktisch in aller Regel nur relevante – Personensorge umfasst nach § 1631 Abs. 1 BGB vor allem die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen.
Dagegen sind Streitigkeiten über die in §§ 1638 ff. BGB geregelte Vermögenssorge in der Gerichtspraxis Ausnahmefälle.
3. Aufenthaltsbestimmungsrecht
Einer der wesentlichen Punkte des Rechts der elterlichen Sorge ist das Recht, den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen, also bei getrennt lebenden Eltern festzulegen, bei welchem Elternteil das Kind leben soll. Vielfach wird zwischen den Eltern nicht um das gesamte Sorgerecht gestritten, sondern allein um das Aufenthaltsbestimmungsrecht und daran anschließend um die Ausgestaltung der Umgangskontakte. Insbesondere bei Eilmaßnahmen wie z.B. auch im Rahmen einer Entscheidung nach §§ 1666, 1666a BGB (dazu s.u. S. 1328) wird meist nur über das Aufenthaltsbestimmungsrecht und nicht bereits über das gesamte Sorgerecht entschieden.
4. Gerichtliche Streitigkeiten über Aufhebung des gemeinsamen Sorgerechts nach Trennung der Eltern
Bestehendes gemeinsames Sorgerecht kann nach § 1671 BGB auf Antrag eines Elternteils vom Familiengericht aufgehoben werden.
Nach Trennung und Scheidung der verheirateten Eltern besteht folglich kraft Gesetzes die gemeinsame elterliche Sorge über die gemeinschaftlichen Kinder fort, wenn und soweit beide Eltern dies wollen und deshalb keinen Antrag auf Übertragung der Alleinsorge gem. § 1671 BGB stellen.
Der Kampf um das alleinige Sorgerecht oder zumindest das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht gehört in der familienrechtlichen Praxis zu den besonders unangenehmen Rechtsstreitigkeiten. Hier kochen regelmäßig die Emotionen hoch und es wird nicht selten mit harten Bandagen gekämpft.
Zerstrittene Eheleute neigen dazu, die Frage des Sorgerechts oder des Umgangs mit dem Kind zur "letzten Abrechnung" mit dem anderen Ehepartner zu nutzen. Das Kindeswohl wird dabei zwar oft zitiert, steht aber dabei vielfach nicht im Mittelpunkt der Überlegungen. Oft geht es um eine sehr eigensüchtige und wenig sachgerechte Durchsetzung der eigenen Interessen des Elternteils.
Die Eltern müssen einsehen, dass die Trennung eines Elternteils vom anderen nicht auch zu einer Trennung des Kindes vom anderen Elternteil führen muss. Sie müssen lernen, die Probleme der "Paar-Ebene" von der "Eltern-Ebene" zu trennen. Dieser Lernprozess sollte von allen Beteiligten – auch vom eigenen Anwalt – intensiv unterstützt werden.
Die Kinder müssen das Recht behalten, auch in der Auseinandersetzung der Eltern neutral zu bleiben. Dieses Recht müssen die Eltern ihnen auch einräumen und sie aus ihren partnerschaftlichen Streitigkeiten heraushalten.
Bei Konflikten zwischen den Eltern stehen die Kinder sonst vor der Schwierigkeit, sich für einen Elternteil entscheiden zu müssen und dabei auch eine Entscheidung gegen den anderen Elternteil treffen zu müssen – obwohl sie dies gar nicht wollen!
In der Praxis ist die frühzeitige Einschaltung des Jugendamtes sehr hilfreich, das oft bereits eine erfolgreiche Vermittlung durchführt und einen einvernehmlichen Vorschlag der Eheleute vorbereitet.
Praxishinweise:
- Der beratende Anwalt sollte der Mandantin oder dem Mandanten die jenseits aller Emotionen liegenden Entscheidungskriterien der Familiengerichte deutlich machen.
- Zudem sollte immer versucht werden, gerade im Interesse des Kindes den Streit nicht anzufachen, sondern zu dämpfen.
5. Gerichtliche Regelungen des Sorgerechts
a) Schema für Sorgerechtsregelungen gem. § 1671 BGB
Das Gesetz sieht in § 1671 BGB folgende Möglichkeiten der Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf einen Elternteil vor: