Gemäß § 43a Abs. 4 BRAO darf ein Rechtsanwalt keine widerstreitenden Interessen vertreten. Das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten, ist ein Grundpfeiler des anwaltlichen Berufsrechts (Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl. 2014, § 43a BRAO Rn 166).
In § 43a Abs. 4 BRAO heißt es zwar, ein Rechtsanwalt dürfe keine widerstreitenden Interessen "vertreten". Das Verb "vertreten" in § 43a Abs. 4 BRAO ist missverständlich, da das Verbot jede rechtsbesorgende anwaltliche Tätigkeit umfasst, also auch die anwaltliche Beratung (Henssler/Prütting, a.a.O., § 43a BRAO Rn 186 m.w.N.; Feurich/Weyland, BRAO, 9. Aufl. 2016, § 43a BRAO Rn 56). Entscheidend ist allein, ob sich die widerstreitenden Interessen aus demselben Sachverhalt ergeben (Henssler/Prütting, a.a.O., § 43a BRAO Rn 199).
Die Vertragsanwälte von Rechtsschutzversicherern haben sowohl in rechtlicher Hinsicht als auch in wirtschaftlicher Hinsicht unterschiedliche Interessen zu beachten. Die Beurteilung der Erfolgsaussichten eines Rechtsstreits ist eine rechtliche Würdigung, die sich entweder zugunsten des Mandanten oder zugunsten des Rechtsschutzversicherers auswirkt. Erst recht ist von einer wirtschaftlichen Überlagerung der beiderseitigen Interessen auszugehen. Auch wirtschaftlich gegensätzliche Interessen führen zur Sanktionierung gem. § 43a Abs. 4 BRAO (Henssler/Prütting, a.a.O., § 43a BRAO Rn 169, 170).
Ein Rechtsanwalt, der vertraglich mit einer Rechtsschutzversicherung verbunden ist und Versicherungsnehmer dieses Rechtsschutzversicherers vertritt oder berät, vertritt gleichzeitig gegenläufige Interessen, weil er sich so "zum Diener zweier Herren aufschwingt" (Henssler/Prütting, a.a.O., § 43a BRAO Rn 299), wenn er die Erfolgsaussichten einer Rechtsverfolgung beurteilt.
An diesem Interessenkonflikt ändert sich auch nichts durch die Kenntnis des Versicherungsnehmers, dass der ihm vermittelte Vertrauensanwalt vertraglich an den Rechtsschutzversicherer gebunden ist. Wenn der Versicherungsnehmer gleichwohl diesen Rechtsanwalt beauftragt, könnte darin – konkludent – eine Genehmigung bzw. Einwilligung dahingehend gesehen werden, dass dieser Rechtsanwalt unterschiedliche Interessen vertritt. Insoweit besteht jedoch Einigkeit in Rechtsprechung und Kommentierung, dass es bei einer pflichtwidrigen Vertretung widerstreitender Interessen verbleibt, selbst wenn der Mandant sein Einverständnis hierzu erklärt (BGH NJW 1995, 150; Henssler/Prütting, a.a.O., § 43a BRAO Rn 202 m.w.N.; Feurich/Weyland, a.a.O., § 43a BRAO Rn 67 m.w.N.).