Die sog. Vertrauensanwälte (Vertragsanwälte) sind mit den Rechtsschutzversicherern durch einen Vertrag gebunden, in dem Gebührenabschläge vereinbart werden mit der Zusicherung, dass die freien Mandate der Rechtsschutzversicherer an diese Vertragsanwälte vermittelt werden.
Auf der anderen Seite steht der Mandatsvertrag zwischen dem beauftragten Rechtsanwalt und dem Versicherungsnehmer (Mandanten). Die Hauptpflicht aus dem Vertrag zwischen Rechtsanwalt und Rechtsschutzversicherung besteht darin, in allen Mandaten – für die dieser Rechtsschutzversicherer Versicherungsschutz zu gewähren hat – Gebührenabschläge hinzunehmen, also auch in den Mandaten, die der Rechtsschutzversicherer gar nicht vermittelt hat.
Die Hauptpflicht aus dem Mandatsvertrag besteht darin, die Interessen des Mandanten bestmöglich zu vertreten.
Neben diesen Hauptpflichten gibt es jedoch auch Nebenpflichten aus beiden Verträgen gem. § 241 Abs. 2 BGB, dass jeder Vertragspartner "zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils" verpflichtet ist. Ein Verstoß gegen diese vertraglichen Nebenpflichten (pVV) führt zum Anspruch auf Schadensersatz gem. § 280 Abs. 1 BGB.
1. Bundesrechtsanwaltsordnung (§ 43a Abs. 4 BRAO)
Gemäß § 43a Abs. 4 BRAO darf ein Rechtsanwalt keine widerstreitenden Interessen vertreten. Das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten, ist ein Grundpfeiler des anwaltlichen Berufsrechts (Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl. 2014, § 43a BRAO Rn 166).
In § 43a Abs. 4 BRAO heißt es zwar, ein Rechtsanwalt dürfe keine widerstreitenden Interessen "vertreten". Das Verb "vertreten" in § 43a Abs. 4 BRAO ist missverständlich, da das Verbot jede rechtsbesorgende anwaltliche Tätigkeit umfasst, also auch die anwaltliche Beratung (Henssler/Prütting, a.a.O., § 43a BRAO Rn 186 m.w.N.; Feurich/Weyland, BRAO, 9. Aufl. 2016, § 43a BRAO Rn 56). Entscheidend ist allein, ob sich die widerstreitenden Interessen aus demselben Sachverhalt ergeben (Henssler/Prütting, a.a.O., § 43a BRAO Rn 199).
Die Vertragsanwälte von Rechtsschutzversicherern haben sowohl in rechtlicher Hinsicht als auch in wirtschaftlicher Hinsicht unterschiedliche Interessen zu beachten. Die Beurteilung der Erfolgsaussichten eines Rechtsstreits ist eine rechtliche Würdigung, die sich entweder zugunsten des Mandanten oder zugunsten des Rechtsschutzversicherers auswirkt. Erst recht ist von einer wirtschaftlichen Überlagerung der beiderseitigen Interessen auszugehen. Auch wirtschaftlich gegensätzliche Interessen führen zur Sanktionierung gem. § 43a Abs. 4 BRAO (Henssler/Prütting, a.a.O., § 43a BRAO Rn 169, 170).
Ein Rechtsanwalt, der vertraglich mit einer Rechtsschutzversicherung verbunden ist und Versicherungsnehmer dieses Rechtsschutzversicherers vertritt oder berät, vertritt gleichzeitig gegenläufige Interessen, weil er sich so "zum Diener zweier Herren aufschwingt" (Henssler/Prütting, a.a.O., § 43a BRAO Rn 299), wenn er die Erfolgsaussichten einer Rechtsverfolgung beurteilt.
An diesem Interessenkonflikt ändert sich auch nichts durch die Kenntnis des Versicherungsnehmers, dass der ihm vermittelte Vertrauensanwalt vertraglich an den Rechtsschutzversicherer gebunden ist. Wenn der Versicherungsnehmer gleichwohl diesen Rechtsanwalt beauftragt, könnte darin – konkludent – eine Genehmigung bzw. Einwilligung dahingehend gesehen werden, dass dieser Rechtsanwalt unterschiedliche Interessen vertritt. Insoweit besteht jedoch Einigkeit in Rechtsprechung und Kommentierung, dass es bei einer pflichtwidrigen Vertretung widerstreitender Interessen verbleibt, selbst wenn der Mandant sein Einverständnis hierzu erklärt (BGH NJW 1995, 150; Henssler/Prütting, a.a.O., § 43a BRAO Rn 202 m.w.N.; Feurich/Weyland, a.a.O., § 43a BRAO Rn 67 m.w.N.).
2. Berufsordnung für Rechtsanwälte (§ 3 BORA)
Gemäß § 3 BORA darf ein Rechtsanwalt nicht tätig werden, wenn er eine andere Partei in derselben Rechtssache vertreten hat oder in sonstiger Weise mit dieser Rechtssache befasst war. § 3 BORA konkretisiert somit die in § 43a Abs. 4 BRAO geregelten anwaltliche Grundpflicht, dass der Rechtsanwalt keine widerstreitenden Interessen vertreten darf (Feurich/Weyland/Böhnlein, a.a.O., § 3 BORA Rn 4 m.w.N.).
Es liegt somit auch ein Verstoß gegen § 3 BORA vor, da das Interesse des Rechtsschutzversicherers, risikoreiche und kostenintensive Verfahren zu vermeiden, dem Interesse des Versicherungsnehmers entgegensteht, gerade derartige Prozesse auf Kosten des Rechtsschutzversicherers zu führen.
3. Berufsregeln der Rechtsanwälte der Europäischen Union (3.2.1 CCBE)
Gemäß 3.2.1 CCBE darf ein Rechtsanwalt mehr als einen Mandanten in der gleichen Sache nicht beraten, vertreten oder verteidigen, wenn ein Interessenkonflikt zwischen den Mandanten oder die ernsthafte Gefahr eines solchen Konflikts besteht. Auch diese Regelung enthält das Verbot, sich einem Interessenkonflikt auszusetzen, und zwar bereits dann, wenn nur die ernsthafte Gefahr eines solchen Konflikts besteht (Henssler/Prütting/Offermann-Burckart, a.a.O., 3.2 CCBE Rn 6). Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass bei Vertragsanwälten von Rechtsschutzversicherern bereits die Möglichkeit eines Interessenkonflikts besteht, da das Intere...