I. Einleitung
Nahezu alle Rechtsschutzversicherer werben mit sog. Vertrauensanwälten, die den Versicherungsnehmern empfohlen werden. Nach welchen Kriterien diese Vertrauensanwälte ausgewählt werden, ist nicht erkennbar, auch wird die Liste dieser Vertrauensanwälte von den meisten Rechtsschutzversicherern geheim gehalten.
Es gibt auch nur wenige Kollegen, die sich als Vertrauensanwälte outen. Die einzige nachprüfbare "Qualifikation" dieser Kolleginnen und Kollegen besteht darin, dass diese bereit sind, Gebührenabschläge hinzunehmen. Kompetente Rechtsanwälte sind im Regelfall auch wirtschaftlich erfolgreich, so dass sie wenig daran interessiert sind, Gebührenabschläge zu vereinbaren (Schons, Rechtsschutzversicherer – Partner, Kontrolleur oder des Anwalts Konkurrenten?, AnwBl 2010, 861, 863).
Vertrauensanwälte sind Vertragsanwälte von Rechtsschutzversicherern, die versprechen, diese Vertragsanwälte den Versicherungsnehmern zu empfehlen, während auf der anderen Seite diese Vertragsanwälte sich verpflichten, Gebührenabschläge hinzunehmen. Den Versicherungsnehmern werden Vorteile dafür versprochen, dass sie von ihrem Recht der freien Anwaltswahl keinen Gebrauch machen, sondern einen Vertragsanwalt des Rechtsschutzversicherers einschalten (BGH, Urt. v. 4.12.2013 – IV ZR 215/12, r+s 2014, 6811).
Einige Rechtsschutzversicherer verzichten in derartigen Fällen auf die Selbstbeteiligung, andere Rechtsschutzversicherer verzichten auf eine Höherstufung im Schadensfreiheitsrabatt, wenn ein Vertragsanwalt eingeschaltet wird (BGH a.a.O.). Aber auch und vor allem bei der Einschaltung von Vertragsanwälten legen die Rechtsschutzversicherer Wert auf die salvatorische Klausel in § 17 Abs. 4 S. 2 ARB 2010: "Für die Tätigkeit des Rechtsanwaltes ist der Versicherer nicht verantwortlich."
Hinweis:
Eine gleichlautende Bestimmung enthalten die früheren ARB und auch die ARB 2012 (4.1.3 ARB 2012).
II. Gebührenvereinbarungen zwischen Vertragsanwälten und Rechtsschutzversicherern
Die Gebührenvereinbarungen zwischen Rechtsschutzversicherern und Vertragsanwälten – oft euphemistisch "Rationalisierungsabkommen" genannt – sehen vor, dass unterhalb der Mittelgebühr abgerechnet wird. Statt der 1,3 Regelgebühr, die nicht der Mittelgebühr (1,5) entspricht, wird in den meisten Fällen vereinbart, dass lediglich eine 1,0 Gebühr berechnet werden soll. Für Bußgeldverfahren und Verkehrsstrafverfahren werden Pauschalbeträge genannt, die ebenfalls deutlich unter der Mittelgebühr liegen. Für die Erstberatung wird in den meisten Fällen ein Betrag in einer Größenordnung von 80 EUR vereinbart, einige Verträge enthalten noch zusätzliche Gebührenkürzungen, beispielsweise den Verzicht auf die Mehrvertretungsgebühr bei mehreren Auftraggebern.
Nicht wenige Vertragsanwälte haben die Verträge zwischenzeitlich aufgekündigt, da sich die Vereinbarungen oft nicht rechnen: Nicht nur die vom Rechtsschutzversicherer vermittelten Mandate müssen geringer abgerechnet werden, die Vereinbarung gilt für alle Mandate, in denen der Rechtsschutzversicherer eintrittspflichtig ist.
III. Interessenkollision?
Die sog. Vertrauensanwälte (Vertragsanwälte) sind mit den Rechtsschutzversicherern durch einen Vertrag gebunden, in dem Gebührenabschläge vereinbart werden mit der Zusicherung, dass die freien Mandate der Rechtsschutzversicherer an diese Vertragsanwälte vermittelt werden.
Auf der anderen Seite steht der Mandatsvertrag zwischen dem beauftragten Rechtsanwalt und dem Versicherungsnehmer (Mandanten). Die Hauptpflicht aus dem Vertrag zwischen Rechtsanwalt und Rechtsschutzversicherung besteht darin, in allen Mandaten – für die dieser Rechtsschutzversicherer Versicherungsschutz zu gewähren hat – Gebührenabschläge hinzunehmen, also auch in den Mandaten, die der Rechtsschutzversicherer gar nicht vermittelt hat.
Die Hauptpflicht aus dem Mandatsvertrag besteht darin, die Interessen des Mandanten bestmöglich zu vertreten.
Neben diesen Hauptpflichten gibt es jedoch auch Nebenpflichten aus beiden Verträgen gem. § 241 Abs. 2 BGB, dass jeder Vertragspartner "zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils" verpflichtet ist. Ein Verstoß gegen diese vertraglichen Nebenpflichten (pVV) führt zum Anspruch auf Schadensersatz gem. § 280 Abs. 1 BGB.
1. Bundesrechtsanwaltsordnung (§ 43a Abs. 4 BRAO)
Gemäß § 43a Abs. 4 BRAO darf ein Rechtsanwalt keine widerstreitenden Interessen vertreten. Das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten, ist ein Grundpfeiler des anwaltlichen Berufsrechts (Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl. 2014, § 43a BRAO Rn 166).
In § 43a Abs. 4 BRAO heißt es zwar, ein Rechtsanwalt dürfe keine widerstreitenden Interessen "vertreten". Das Verb "vertreten" in § 43a Abs. 4 BRAO ist missverständlich, da das Verbot jede rechtsbesorgende anwaltliche Tätigkeit umfasst, also auch die anwaltliche Beratung (Henssler/Prütting, a.a.O., § 43a BRAO Rn 186 m.w.N.; Feurich/Weyland, BRAO, 9. Aufl. 2016, § 43a BRAO Rn 56). Entscheidend ist allein, ob sich die widerstreitenden Interessen aus demselben Sachverhalt ergeben (Henssler/Prütting, a.a.O., § 43a BRAO Rn 199).
Die Vertragsanwälte von Rechtsschutzversicherern haben sowohl in rechtlicher Hinsicht als a...