Die Tätigkeit von Vertragsanwälten, die einerseits vertraglich an einen Rechtsschutzversicherer gebunden sind, andererseits die Interessen des Mandanten zu wahren haben, ist bislang – soweit ersichtlich – nicht beanstandet worden. Vertragsanwälte berufen sich darauf, dass sie ausschließlich die Interessen des Mandanten wahren, Rechtsschutzversicherer erklären ebenso vollmundig, dass sie keinen Einfluss auf die Entscheidungsfreiheit der Vertragsanwälte nehmen. Beide Aussagen dürften für sich genommen zutreffend sein, gleichwohl verbleibt ein latenter Interessenwiderstreit, da Rechtsschutzversicherer und Mandanten gegenläufige Interessen haben, die von demselben Anwalt zu wahren sind.
Rechtsschutzversicherer zahlen jährlich etwa 1,9 Milliarden Euro an Anwaltshonoraren. Sie sind somit ein bedeutender Faktor für den Anwaltsmarkt. Die Empfehlung von sog. Vertrauensanwälten könnte dem Versicherungsnehmer suggerieren, dass den Rechtsanwälten, die nicht empfohlen werden, nicht ohne weiteres vertraut werden kann. Es handelt sich um einen frontalen Angriff gegen den Grundsatz der freien Anwaltswahl. Alle Mandanten, auch diejenigen, die rechtsschutzversichert sind, sollen aus der gesamten Anwaltschaft diejenigen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte auswählen, die für den konkreten Fall über die erforderliche Qualifikation verfügen.
Die Kooperation mit Vertragsanwälten dient in erster Linie der Minimierung der Rechtsverfolgungskosten, obgleich immer wieder behauptet wird, es gehe um Qualitätssicherung. Die Bemühungen der Rechtsschutzversicherer sind jedoch nachvollziehbar, da es auch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gibt, die Rechtsschutzversicherer als "Selbstbedienungsladen" missbrauchen. Unschlüssige Klagen, unvollständige Angaben bei Beantragung des Versicherungsschutzes und erfolglose Massenklagen, die lediglich der Gewinnmaximierung dienen, mag es in der Praxis geben, es handelt sich jedoch um krasse Ausnahmefälle, die im Wege der selektiven Wahrnehmung verallgemeinert werden. Sinnvoller wäre es, an der freien Anwaltswahl festzuhalten und rigoros unseriöse Kollegen in Regress zu nehmen, wie dies bereits mehrfach geschehen ist (OLG Düsseldorf VersR 2013, 1303; OLG Koblenz VersR 2011, 791; LG Flensburg VersR 2013, 1172 = r+s 2013, 497).
Autor: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht Dr. Hubert W. van Bühren, Köln
ZAP 8/2016, S. 421 – 426