Ein sog. qualifizierter Rotlichtverstoß liegt vor, wenn die LZA bereits länger als eine Sekunde Rotlicht zeigt oder der Rotlichtverstoß unter Gefährdung anderer begangen wird. In diesen Fällen ist neben der Regelgeldbuße von 200 EUR i.d.R. dann auch ein Fahrverbot zu verhängen. In der Praxis am häufigsten ist der Verstoß mit einer Rotlichtzeit von mehr als ein Sekunde, auf den sich die Darstellung hier deshalb beschränkt (zur "Rotlichtsünde" Schmedding VRR 2005, 58; Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 3635 ff.).
Hinweis:
Entscheidend für die Annahme eines qualifizierten Rotlichtverstoßes nach Nr. 132.3 BKatV ist die festgestellte Rotlichtzeit. Deshalb muss bei der Prüfung des amtsgerichtlichen Urteils ein besonderes Augenmerk darauf gerichtet werden, ob diese richtig ermittelt ist. Die mit den Messverfahren zusammenhängenden Fragen werden hier aus Platzgründen nicht dargestellt. Insoweit wird verwiesen auf Burhoff/Grün, Messungen im Straßenverkehr, 3. Aufl. 2013, Teil 1 Rn 1354 ff.; Burhoff/Böttger/Groß, OWi, Rn 3576 ff.; Schmedding in: Ludovisy/Eggert/Burhoff, Praxis des Straßenverkehrsrechts, 5. Aufl. 2015, § 6 Rn 1219 ff.
1. Tatsächliche Feststellungen
Für einen qualifizierten Rotlichtverstoß gelten die für einen einfachen Rotlichtverstoß geltenden Einschränkungen hinsichtlich des Umfangs der tatsächlichen Feststellungen nicht (vgl. dazu II.). Dem OLG ist nämlich bei so geringen/knappen Feststellungen nicht die Möglichkeit eröffnet zu prüfen, ob wegen der besonderen Verkehrssituation nicht lediglich ein "einfacher" Rotlichtverstoß, bei dem ein Fahrverbot nicht verhängt werden kann, vorliegt (grundlegend OLG Hamm NJW 2004, 172 = NStZ-RR 2004, 92 = DAR 2004, 102; zu den Feststellungen s.a. noch OLG Hamm NZV 2008, 309 = zfs 2008, 410 = VA 2008, 100; VA 2002, 169; VRS 85, 464). Ein qualifizierter Rotlichtverstoß erfordert die Feststellung, dass der Fahrzeugführer das Rotlicht nach einer Rotlichtphase von mehr als einer Sekunde missachtet hat. Um dem OLG die erforderliche Überprüfung zu ermöglichen, setzt dies aber nähere Feststellungen zu den örtlichen Verhältnissen und zum Ablauf des Rotlichtverstoßes voraus.
Zusätzlich bedarf es auch bei Anwendung standardisierter Messverfahren neben der genauen Bezeichnung des verwendeten Gerätetyps (OLG Braunschweig NJW 2007, 391 = VA 2006, 196 = VRR 2006, 471; OLG Hamm VRR 2007, 316) zumindest der Angabe etwaiger berücksichtigter Messtoleranzen, um dem OLG die Nachprüfung zu ermöglichen, ob die Feststellungen rechtsfehlerfrei getroffen sind (vgl. BGHSt 39, 291 = NJW 1993, 3081; grds. auch OLG Bremen NZV 2010, 42 [für Traffipax Traffiphot III]; OLG Frankfurt NZV 2008, 588 = VRS 2008, 363 = VA 2008, 313; OLG Karlsruhe VA 2009, 65 = DAR 2009, 157 = NZV 2009, 201). Insbesondere im Bereich der Rotlichtüberwachung mit stationären Messanlagen stehen nämlich zahlreiche Geräte verschiedener Hersteller zur Verfügung, bei denen es teilweise eines zeitlichen Abzugs für die nach dem Überfahren der Haltelinie bis zur Kontaktschleife zurückgelegten Strecke nicht mehr bedarf, teilweise – u.a. bei Geräten des Typs "Traffipax TraffiPhot III" – allerdings weitere Abschläge von bis zu 0,2 Sekunden für gerätespezifische Messungenauigkeiten vorzunehmen sind (OLG Braunschweig a.a.O.; ähnlich OLG Karlsruhe VA 2009, 65 = DAR 2009, 157 = NZV 2009, 201; zu "Traffipax Traffiphot III" OLG Bremen NZV 2010, 42; zu den unterschiedlichen Messverfahren Burhoff/Grün, a.a.O., Teil 1 Rn 1354 ff.; Burhoff/Böttger/Groß, OWi, Rn 3576 ff.). Es muss aber nicht ausdrücklich mitgeteilt werden, ob das angewandte Verfahren als standardisiert anzusehen ist (KG VRS 129, 155).
Bei der – automatischen – Rotlichtüberwachung bedarf es darüber hinaus der Mitteilung im amtsrichterlichen Urteil, wie weit die Induktionsschleife von der Haltelinie entfernt ist, ggf. – soweit vorhanden – sogar die Mitteilung der Entfernung einer zweiten Induktionsschleife von der ersten und der jeweils auf den zwei Messfotos eingeblendeten Messzeiten. Diese Angaben sind nicht aufgrund des standardisierten Messverfahrens überflüssig, sondern dienen gerade der Berechnung der tatsächlichen Rotlichtdauer beim Überfahren der Haltelinie (OLG Hamm VA 2006, 175 = VRR 2007, 33; OLG Karlsruhe VA 2009, 65 = DAR 2009, 157 = NZV 2009, 201; ähnlich VRR 2007, 316; OLG Schleswig VRR 2014, 270 = zfs 2014, 413 = NZV 2015, 45; so im Ergebnis auch OLG Dresden DAR 2002, 82).
2. Zeitberechnung/Zeitmessung/Fehlerquellen
a) Allgemeines
Entscheidend für die Annahme eines qualifizierten Rotlichtverstoßes nach Nr. 132.3 BKatV ist die festgestellte Rotlichtzeit. Deshalb muss der Verteidiger bei der Prüfung des amtsgerichtlichen Urteils ein besonderes Augenmerk darauf richten, ob diese richtig ermittelt ist. Das AG muss Feststellungen zum exakten Ablauf des Rotlichtverstoßes sowie zu dessen Messung treffen. Das ist auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil der Betroffene eine "geständige Einlassung" abgegeben hat. Das bloße Geständnis des Betroffenen, bei Rot über die Ampel gefahren zu sein, da er das rote Licht zu spät gesehen habe, erlaubt nämlich keine Feststellung zur Zeitdau...