a) Wechselmodell
Ob ein Wechselmodell dem Kindeswohl ent- oder widerspricht, kann immer nur im konkreten Einzelfall festgestellt werden. Eine schematische Betrachtungsweise verbietet sich, wie das OLG Karlsruhe (FamRZ 2015, 1736) herausstellt. Zwar liegen die Vorteile eines Wechselmodells auf der Hand, da es die Aufrechterhaltung enger Eltern-Kind-Beziehungen ermöglicht. Das Kind kann den Alltag mit beiden Eltern erleben und beide Eltern bleiben in der Verantwortung für das Kind (vgl. OLG Hamm FamRZ 2012, 1883). Demgegenüber besteht der Nachteil, dass dem Kind ein dauerhafter und fester Lebensmittelpunkt entzogen und das Kind häufig durch verschiedene unterschiedliche Lebens- und Erziehungsregeln der Eltern belastet wird. Daher entspricht das Praktizieren eines Wechselmodells grundsätzlich nur dann dem Kindeswohl, wenn die Eltern in der Lage sind, die Nachteile des Wechselmodells durch ein hohes Maß an Kooperation, Kommunikation und Kompromissbereitschaft zu reduzieren.
Das KG (FamRZ 2015, 1910 = FamRB 2015, 413 m. Hinw. Luthin) hält daran fest, dass das Wechselmodell im Allgemeinen gegen den Willen eines Elternteils nicht angeordnet werden kann. Insbesondere in von starken Konflikten geprägten Elternbeziehungen entspricht es regelmäßig nicht dem Kindeswohl, durch eine gerichtliche Entscheidung ein Wechselmodell herbeizuführen.
Das BVerfG (FamRZ 2015, 1686 = NJW 2015, 3366 = FuR 2015, 723 m. Bespr. Soyka) hat klargestellt, dass der Gesetzgeber nicht gehalten ist, die Anordnung paritätischer Betreuung als Regelfall vorzusehen. Ob die Annahme zutrifft, die Anordnung eines Wechselmodells gegen den Willen eines Elternteils komme mit Blick auf das Elterngrundrecht des sorgeberechtigten Elternteils von vornherein nicht in Betracht, hat es offen gelassen.
Zur Frage, ob anhand psychologischer Erkenntnisse begründet werden kann, dass ein bestimmtes Betreuungsmodell anderen unter Kindeswohlaspekten grundsätzlich überlegen ist, befasst sich Salzgeber in seinem Aufsatz "Die Diskussion um die Einführung des Wechselmodells als Regelfall der Kindesbetreuung getrennt lebender Eltern aus der Sicht der Psychologie" (FamRZ 2015, 2018).
Heilmann (NJW 2015, 3346) spricht sich in seinem Aufsatz "Kindeswohl und Wechselmodell" dafür aus, dass bei der Abgrenzung von Residenz- und Wechselmodell eine qualitative und wertende Betrachtung im Einzelfall maßgeblich sein soll und kritisiert, dass das derzeitige System dem Fehlempfinden der Eltern von Machtzuteilung und -entzug Vorschub leiste.
Hinweis:
Zu den unterhaltsrechtlichen Fragen beim Wechselmodell s.u. IV 4.
b) Übertragung
Hinsichtlich der Übertragung der elterlichen Sorge bei nicht miteinander verheirateten Eltern ist mit der Neufassung des § 1626a Abs. 2 BGB durch das Gesetz vom 16.4.2013 (BGBl I, S. 795) eine – widerlegbare – Vermutung des Vorzugs der gemeinsamen Sorge geschaffen worden. Dieses gesetzliche Leitbild ist zur Geltung zu bringen, wenn Einwände ausbleiben oder nicht überzeugen. Einer positiven Feststellung der Kindeswohldienlichkeit und dafür erforderlicher Tatsachen bedarf es nicht (s. ZAP F. 11 R, S. 928).
Nach Auffassung des OLG Brandenburg (FamRZ 2015, 1203 = NJW 2015, 2051) handelt es sich bei der gesetzlichen Änderung von einer positiven zu einer negativen Kindeswohlprüfung um eine nach § 1696 Abs. 1 S. 1 BGB zu prüfende Änderung und kommt als triftiger Grund für eine Änderung der Entscheidung in Betracht, bei der die Sorgerechtsübertragung an der positiven Kindeswohlprüfung gescheitert war.
Das OLG Brandenburg (FamRZ 2015, 1207) betont, dass die gesetzliche Vermutung eine Ablehnung des auf die gemeinsame elterliche Sorge gerichteten Antrags auch dann verbietet, wenn sich einerseits keine für die gemeinsame Sorge sprechenden Gründe ermitteln lassen, andererseits ebenso wenig Anhaltspunkte bestehen, die gegen die gemeinsame Sorge sprechen könnten. Es obliege nicht dem Antragsteller, eine durch die begehrte Entscheidung bewirkte günstige Entwicklung darzulegen, sondern der Antragsgegner habe Anhaltspunkte und eine darauf beruhende ungünstige Prognose darzulegen.
Auch das KG (FamRZ 2015, 2069) hebt hervor, dass die gemeinsame Wahrnehmung elterlicher Verantwortung eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraussetzt und ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen.
Die für die Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge zu verlangende Notwendigkeit ausreichender Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft bedeutet aber nicht, dass das gemeinsame Sorgerecht bereits dann abzulehnen wäre, wenn die Gefahr von Meinungsverschiedenheiten und Auseinandersetzungen besteht, da es zur Normalität gehört, dass Eltern über Einzelfragen in der Erziehung unterschiedliche Auffassungen haben und sich mitunter erst aus Kontroversen die für das Kind beste Lösung entwickelt (OLG Karlsruhe FamRZ 2015, 2168).
Hinweis:
Anhaltspunkten, die gegen eine gemeinsame Sorge sprechen könnten, hat das Gericht von Amts wegen nachzugehen.
c) Entzug
Das OLG Köln (FamRZ 2015, 1904) betont, dass es nicht den Eltern obliegt, ihre Erziehungsf...