Egon Schneider zum 90. Geburtstag
Es war eines jener glücklichen Zusammentreffen, deren Folgen sich erst im Rückblick in ganzer Tragweite eröffnen: Vor rund drei Jahrzehnten auf eine Zusammenarbeit an einer neu zu gründenden Zeitschrift für Rechtsanwälte angesprochen, neigte sich Egon Schneiders langjährige Richterkarriere gerade absehbar dem Ende zu. Zwar schrieb er bereits für mehrere andere Verlage – seine "Logik für Juristen" und die Mitkommentierung am "Zöller" seien hier nur stellvertretend für viele genannt – doch das Projekt reizte ihn. Oft genug hatte er als Richter Rechtsanwälte erlebt, die mit dem Zivil- und dem Zivilprozessrecht nicht auf so vertrautem Fuß standen, wie es im Interesse ihrer Mandanten erforderlich gewesen wäre. Hier bot sich die Möglichkeit, ihnen eine wertvolle Hilfestellung zu bieten. Egon Schneider sagte seine Mitarbeit zu.
Für die neue "Zeitschrift für die Anwaltspraxis" erwies sich seine Mitherausgeberschaft als großer Wurf. Es waren insbesondere die von ihm betreuten Rubriken, die sich bei Leserumfragen immer wieder als die beliebtesten herausstellten. Aus der Sicht eines ehemaligen Richters konnte er den Rechtsanwälten Tipps und Hinweise geben, wie sie sich in keinem Kommentar fanden. Nach seiner Pensionierung auch als Rechtsanwalt tätig, konnte er Rechtsfragen von beiden Standpunkten – der des Gerichts und der des Anwalts – ausleuchten. Zahlreiche Anfragen von Kollegen um Rat und Hilfe führten schließlich zur Idee eines "Justizspiegels", in dem Egon Schneider publizistisch bündelte, wie Gerichte in typischen prozessualen Situationen immer wieder das Gebot der Fairness gegenüber den Parteien und ihren Anwälten verletzen. Lange bevor es Internetforen gab, in denen Rechtsanwälte Erfahrungen untereinander austauschen können, wurde so der "ZAP Justizspiegel", zu einem Ort, an dem die Leser – oft erstaunt – realisieren konnten, dass sie mit ihren Problemen und Niederlagen keinesfalls allein dastanden. Schnell wurde die Rubrik auch außerhalb ihres Zielpublikums bekannt und trug dem Verfasser in der Öffentlichkeit den Ruf eines "Justizkritikers" ein. Nicht selten wurde versucht, ihn deswegen für bestimmte rechtspolitische Kampagnen einzuspannen. Dagegen hat er sich allerdings immer verwahrt, für ihn standen die Belange der anwaltlichen Kollegen im Vordergrund.
Bis zuletzt war ihm dies eine Lebensaufgabe und führte stets zur Ablehnung weit lukrativerer Betätigung, etwa für Mandate oder Gutachten. Ein unglücklich verlaufener Sturz beendete auf tragische Weise vor zweieinhalb Jahren Egon Schneiders Leben. Am 3. April wäre er 90 Jahre alt geworden.
[RA Günter Lange]
ZAP F., S. 386–392