aa) Allgemeines
Das AG hat verschiedene Möglichkeiten der Verfahrenserledigung. Es kann, wenn es das Verfahren nicht nach § 47 Abs. 2 OWiG einstellt (vgl. III. 3.) durch Beschluss entscheiden, und zwar nach § 72 OWiG auch in der Sache (vgl. dazu IV. 4. b. bb) oder aufgrund einer Hauptverhandlung durch Urteil (vgl. IV. 4. b. cc).
Hinweis:
Auch im OWi-Verfahren ist über § 60 OWiG, § 140 StPO die Bestellung eines Pflichtverteidigers möglich (vgl. dazu eingehend Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 3101 ff.; s. auch Krenberger zfs 2013, 69, der die Pflichtverteidigung in Bußgeldsachen jedoch als Ausnahmefall ansieht; Fromm NJW 2013, 2006). Es gelten die allgemeinen Vorschriften (vgl. dazu – insb. auch zur Auswahl des Verteidigers und zum Verfahren – Burhoff, EV, Rn 2759 ff.). Das gilt besonders auch für § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO (LG Ellwangen VRR 2012, 43 [Ls.] = StV 2012, 462; früher schon OLG Köln NZV 1999, 96).
bb) Entscheidung durch Beschluss
Sofern die Verwaltungsbehörde die Unzulässigkeit des Einspruchs übersehen oder unzutreffend die Zulässigkeit bejaht hat, sieht § 70 Abs. 1 OWiG die Verwerfung des Einspruchs durch Beschluss, also außerhalb einer Hauptverhandlung, vor. Geprüft werden dabei ausschließlich die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Einspruchs, nicht dagegen andere Verfahrensmängel. Der Beschluss ist gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 34 StPO zu begründen; als Rechtsmittel sehen §§ 70 Abs. 2, 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 311 StPO die sofortige Beschwerde binnen einer Woche ab Zustellung vor.
Sofern das Gericht die Durchführung einer Hauptverhandlung für entbehrlich hält, kann es unter den in § 72 Abs. 1 OWiG näher ausgeführten Voraussetzungen durch Beschluss entscheiden (vgl. dazu Burhoff/Gieg, OWi, Rn 511 ff. und Burhoff VA 2009, 14). Diese Verfahrensweise hängt weder von der Höhe der Geldbuße noch von der Verhängung eines Fahrverbots ab. Vielmehr kommt sie immer dann in Betracht, wenn aufgrund der Aktenlage der Sachverhalt als geklärt anzusehen ist. Vor der Durchführung des Beschlussverfahrens muss sowohl der Betroffene als auch die Staatsanwaltschaft auf diese Möglichkeit hingewiesen und eine zweiwöchige Frist zur Äußerung eingeräumt werden. Der Hinweis ist entbehrlich, wenn der Betroffene freigesprochen wird oder von ihm bzw. seinem Verteidiger die Anregung zur Entscheidung im Beschlussverfahren kam.
Das Beschlussverfahren nach § 72 OWiG hängt nicht von der Zustimmung der Verfahrensbeteiligten ab, sondern kann nur durch ausdrücklichen Widerspruch zugunsten einer Hauptverhandlung vermieden werden. Die Widerspruchserklärung bedarf keiner besonderen Form; bei der Ermittlung des tatsächlichen Willens ist das gesamte bisherige Verhalten des Betroffenen zu würdigen (vgl. zum Widerspruch gegen die Entscheidung im Verfahren nach § 72 OWiG Burhoff/Gieg, OWi, Rn 544 ff.)
cc) Entscheidung aufgrund einer Hauptverhandlung
(1) Anwesenheitsverhandlung
Entscheidet der Amtsrichter nicht durch Beschluss, muss aufgrund einer Hauptverhandlung durch Urteil entschieden werden. Für die Hauptverhandlung im Bußgeldverfahren gelten grundsätzlich dieselben Regeln wie für die Hauptverhandlung im Strafverfahren. An einigen Stellen ergeben sich jedoch Abweichungen, so z.B. hinsichtlich des Umfangs der Beweisaufnahme (vgl. dazu § 77a OWiG), auf die hier jedoch aus Platzgründen nicht eingegangen werden kann (vgl. dazu eingehend Burhoff, HV, Rn 1252 ff. m.w.N.).
Hinweis:
Erscheint der Betroffene unentschuldigt nicht und ist er auch nicht von seiner Anwesenheitspflicht entbunden (§ 73 Abs. 2 OWiG; s. nachfolgend), wird sein Anspruch nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen.
(2) Abwesenheit des Betroffenen (§§ 73, 74 Abs. 2 OWiG)
Die Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung richtet sich nach § 73 OWiG. Danach besteht gem. § 73 Abs. 1 OWiG die Pflicht des Betroffenen, in der Hauptverhandlung zu erscheinen (zur Anwesenheitspflicht des Betroffenen Burhoff/Stephan, OWi, Rn 2578 ff.; Burhoff VRR 2007, 250; Krumm DAR 2008, 413; Krenberger zfs 2013, 364; Fromm DAR 2013, 368). Nach § 73 Abs. 2 OWiG ist das Gericht aber verpflichtet (vgl. u.a. BayObLG DAR 2001, 371; KG VRS 113, 63; NStZ 2011, 594; KG, Beschl. v. 3.1.2017 – 3 Ws (B) 692/16; OLG Bamberg NZV 2013, 612; OLG Brandenburg VA 2016, 121; OLG Düsseldorf VA 2016, 176; OLG Dresden zfs 2003, 374; OLG Hamm zfs 2004, 584; NZV 2007, 632 = VRR 2007, 435; OLG Hamm VA 2016, 194; OLG Karlsruhe VA 2016, 176; OLG Köln NZV 2009, 52 = StraFo 2009, 76), den Betroffenen auf seinen Antrag hin von dieser Verpflichtung zu entbinden, wenn er sich zur Sache geäußert hat oder erklärt, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern werde, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist (zu den Anforderungen an einen Entbindungsantrag Göhler/Seitz, a.a.O., § 73 Rn 6; Burhoff, HV, Rn 1228 ff. m.w.N.; Burhoff VRR 2007, 250, 253).
Hat das Gericht den Betroffenen von der Pflicht zum Erscheinen entbunden, kann er sich gem. § 73 Abs. 3 OWiG in der Hauptverhandlung durch einen schriftlich bevollmächtigten Verteidiger vertreten lassen. Erscheint der Betroffene in diesem Fall entschuldigt nicht und ist er auch nicht durch einen Verteidiger vertreten,...