1. Weihnachtsfeier als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung
Hinweis:
Mit dieser Entscheidung hat das BSG seine frühere Rechtsprechung teilweise aufgegeben.
Die Entscheidung des BSG vom 5.7.2016 (B 2 U 19/14 R, NJW 2017, 506 m. Anm. Waltermann NZS 2017, 27) hat eine Klägerin herbeigeführt, die bei der Deutschen Rentenversicherung in einer Dienststelle beschäftigt ist, in der rund 230 Mitarbeiter tätig sind und die auf der untersten Organisationsebene in Sachgebiete untergliedert ist. Jeweils zwei Sachgebiete bilden einen Sachbereich. Die Sachbereichs- und Sachgebietsleiter beschlossen im Jahr 2010, dass die Sachgebiete eigene Weihnachtsfeiern während der Kernarbeitszeit durchführen durften. An der Besprechung nahm auch der Dienststellenleiter teil. Die Leiterin des Sachgebiets der Klägerin kündigte die Weihnachtsfeier für 2010 an und lud alle Mitarbeiter des Sachgebiets hierzu ein. Nach einem gemeinsamen Kaffeetrinken unternahmen die teilnehmenden Personen eine gemeinsame Wanderung, bei der die Klägerin ausrutschte, hinfiel und sich hierbei eine Ellenbogenprellung sowie eine Verstauchung und Prellung des Handgelenks zuzog.
Nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle (vgl. die Unfalldefinition in § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII) von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründeten Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass die Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb versichert ist. Die Verrichtung muss ein zeitliches begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitsschaden oder den Tod der Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität). Das BSG hat entgegen dem Berufungsgericht entschieden, dass die Wanderung im Rahmen der Weihnachtsfeier das hier allein streitige Tatbestandsmerkmal der versicherten Beschäftigung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII erfüllt und die Klägerin hierbei einen Unfall mit einem Körperschaden erlitten hat, der kausal auf den Spaziergang als Verrichtung zurückzuführen ist. Eine nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherte Tätigkeit als Beschäftigte liegt vor, wenn die Verletzte zur Erfüllung eines von ihr begründeten Rechtsverhältnisses, insbesondere eines Arbeitsverhältnisses, eine eigene Tätigkeit in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen (vgl. § 7 Abs. 1 SGB IV) zu dem Zweck verrichtet, dass die Ergebnisse ihrer Verrichtung diesem und nicht ihr selbst unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereichen. Es kommt objektiv auf die Eingliederung des Handelns des Verletzten in das Unternehmen eines anderen und subjektiv auf die zumindest auch darauf gerichtete Willensausrichtung an, dass die eigene Tätigkeit unmittelbare Vorteile für das Unternehmen des anderen bringen soll. Eine den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII begründende Tätigkeit kann auch die Teilnahme an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung, z.B. einer Weihnachtsfeier, begründen. Die in die Arbeitsorganisation des Unternehmens eingegliederten Beschäftigten unterstützen durch ihre von der Unternehmensleitung gewünschte oder sogar geforderte Teilnahme das von ihr dadurch zum Ausdruck gebrachte Unternehmensinteresse, die betriebliche Verbundenheit zu fördern (s. zuletzt BSG, Urt. v. 26.6.2014 – B 2 U 7/13 R).
Für den Versicherungsschutz insoweit ist zunächst erforderlich, dass die Veranstaltung "im Einvernehmen" mit der Unternehmensleitung stattfindet, wobei diese nicht selbst Veranstalter sein muss, es genügt, dass sie die Veranstaltung billigt und fördert. Die Billigung der Unternehmensleitung muss sich nicht nur auf die wegen der Durchführung einer Veranstaltung erforderlichen betrieblichen Änderungen (z.B. der Arbeitszeit, das Benutzen betrieblicher Räume) erstrecken, sondern die Durchführung als Gemeinschaftsveranstaltung muss von ihr gewollt sein, zumal mögliche Unfälle bei solchen Veranstaltungen Auswirkungen auf die von dem Unternehmer zu zahlenden Beiträge haben können, § 162 Abs. 1 SGB VII.
Das BSG geht im vorliegenden Fall von einem solchen "Einvernehmen" des zuständigen Dienststellenleiters aus. Für dieses reicht es aus, wenn der Dienststellenleiter in einer schriftlich protokollierten Dienstbesprechung mit dem jeweiligen Sachgebietsleitern vereinbart, dass die jeweiligen Sachgebiete Weihnachtsfeiern veranstalten dürfen.
Hinweis:
Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von demjenigen, über den das BSG am 26.6.2014 zu entscheiden hatte (B 2 U 7/13 R). Dort hatten die Beschäftigten eines (von insgesamt 22) Teams eines Jobcenters eine Weihnachtsfeier außerhalb der Arbeitszeit in einem Bowling Center organisiert, jedoch nicht auf Veranlassung oder im Einvernehmen mit dem Geschäftsführer oder einer von ihm hierzu ermächtigten oder beauftragten Person. Hier bestand, so das BSG, kein Versicherungsschutz für einen Unfall, den ein Teilnehmer an dieser Weihna...