1. Sichtung der Buchhaltung zur Feststellung der Bankverbindungen und des Geldverkehrs
Aufgrund von Geschäftsbedingungen der Banken kann der Abwickler Verfügungsbevollmächtigter über die Anderkonten des früheren Rechtsanwalts werden. In der Praxis räumen die Banken dem Abwickler keine Verfügungsbefugnis über das Geschäftskonto ein. Hier ist im Einzelfall die Vollmacht des Ausgeschiedenen bzw. der Erben einzuholen. Sollten auf einem Geschäftskonto Fremdgelder eingehen, ist die Bank, wenn sie der Verfügungsbefugnis nicht zustimmt, darüber zu informieren, dass diese unverzüglich auszuzahlen sind; gegebenenfalls ist sie „bösgläubig“ zu machen. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich das Geschäftskonto im Minus befindet.
Dem Abwickler ist unbedingt die Errichtung eines neuen Geschäftskontos zu empfehlen, um missbräuchlichen Verfügungen des neben ihm noch bevollmächtigten Kontoinhabers vorzubeugen. Auf dieses Konto ist ein Guthaben zu übertragen.
2. Anderkonto
Für Fremdgeld ist ein Anderkonto einzurichten. Soweit auf dem allgemeinen Rechtsanwaltskonto des Ausgeschiedenen noch Fremdgeld lagert, das weiterzuleiten ist, sind geeignete Maßnahmen zu ergreifen, dieses Fremdgeld zu sichern, notfalls durch einen Arrest.
3. Pfändungen
Das LG Kiel (Beschl. v. 20.11.1989 – 13 T 474/89) nimmt den Vorrang der zur Fortführung der Praxis notwendigen Mittel zur Deckung der Miet-, Sach- und Personalkosten an, zu denen auch die Vergütungsansprüche des Abwicklers gehören (§ 850i ZPO).
4. Kassen/vorhandene Bargelder
Der Abwickler wird nicht Eigentümer des vorgefundenen Barvermögens. Er ist lediglich gem. § 55 Abs. 3 S. 1 BRAO, § 53 Abs. 9 BRAO, § 670 BGB zur Inbesitznahme des Barvermögens berechtigt, um dieses im Rahmen der Aufwendungen für die Praxis (Zahlung von Portokosten, Gerichtskosten oder Ähnliches) zu verwenden.
5. Buchhaltung/Steuern
Der Abwickler ist ab dem Tag der Amtsübernahme zur Errichtung einer eigenen, anwaltsüblichen Buchhaltung verpflichtet. Er ist zur Abführung der vereinnahmten Umsatzsteuer unter Gegenrechnung der Vorsteuer verpflichtet. Sonstige Steuererklärungen (Einkommensteuererklärungen etc.) obliegen dem Abwickler nicht.
6. Postsendungen
Der Abwickler hat von Beginn seiner Tätigkeit an sicherzustellen, dass er Kenntnis von der Geschäftskorrespondenz des ausgeschiedenen Rechtsanwalts erhält. Das kann er durch entsprechende Bekanntgabe gegenüber den Mandanten, Gegnern und Gerichten ebenso bewirken wie durch Post-Nachsendeaufträge oder die direkte Einsicht in die Kanzlei. Er muss sicherstellen, dass der ausgeschiedene Rechtsanwalt nicht die Post abfangen und unterdrücken kann. Der Anspruch des Abwicklers auf Herausgabe der gesamten Kanzleipost ist daher im Wege der einstweiligen Verfügung geltend zu machen, wenn eine einverständliche Lösung nicht möglich ist.
Zu den Aufgaben des Abwicklers gehört es nicht, Zustellungen anzunehmen, die den ausgeschiedenen Rechtsanwalt als Beschuldigten oder Angeklagten betreffen. Das Gleiche gilt, wenn die Postsendungen Ämter betreffen, die der Ausgeschiedene inne hatte oder noch bekleidet.
7. Besonderes elektronisches Anwaltspostfach – beA
Der Abwickler muss Zugriff auf das beA des Abzuwickelnden haben. Hier kommt die Regelung in § 25 Abs. 3 RAVPV zur Anwendung. Wird ein Vertreter oder Abwickler bestellt, so räumt die Bundesrechtsanwaltskammer diesem für die Dauer seiner Bestellung einen auf die Übersicht der eingegangenen Nachrichten beschränkten Zugang zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach der Person ein, für die er bestellt oder benannt ist. Dabei müssen für den Vertreter oder Abwickler der Absender und der Eingangszeitpunkt der Nachricht einsehbar sein; der Betreff, der Text und die Anhänge der Nachricht dürfen nicht einsehbar sein. Die zur Einräumung des Zugangs erforderliche Übermittlung von Daten durch die Rechtsanwaltskammer an die Bundesrechtsanwaltskammer erfolgt im automatisierten Verfahren. Der Abwickler hat mit seiner Bestellung automatisch Zugang zu den erforderlichen Daten des Abzuwickelnden. Jedoch hat der Abwickler Zugang nur auf beschränkte Datensätze. Bei Eingang eines Dokuments hat er Zugriff auf die Absenderdaten und den Betreff und kann dies der entsprechenden Akte zuordnen. Es empfiehlt sich, mit dem Absender Kontakt aufzunehmen, über die Bestellung als Abwickler zu informieren und zu bitten, das Dokument direkt auf das beA des Rechtsanwalts (Abwickler) zu senden.