1. Elternzeit
Der Arbeitgeber muss vor Beginn der Elternzeit nicht in Anspruch genommenen Urlaub nach der Elternzeit im laufenden oder im darauffolgenden Kalenderjahr gewähren. Endet das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit oder direkt im Anschluss an die Elternzeit, so muss der noch nicht genommene Urlaub abgegolten werden.
Allerdings kann der Arbeitgeber gem. § 17 Abs. 1 BEEG für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit den Urlaubsanspruch um ein Zwölftel kürzen, sofern der Arbeitnehmer während der Elternzeit keine Teilzeitbeschäftigung bei ihm ausübt. Dazu muss der Arbeitgeber von dieser Kürzungsbefugnis Gebrauch machen. Eine automatische Kürzung tritt nicht ein! Die Kürzung muss während des bestehenden Arbeitsverhältnisses und kann vor, während und nach der Elternzeit erklärt werden.
Mit der Entscheidung in der Sache "Dicu" vom 4.10.2018 hat der EuGH nunmehr bestätigt, dass eine solche Kürzungsmöglichkeit mit dem Unionsrecht vereinbar ist (EuGH, Urt. v. 4.10.2018 – C-12/17, Dicu, NZA 2018, 1323).
Praxishinweis:
Es bietet sich an, mit Bestätigung der Elternzeit (vgl. § 16 Abs. 1 S. 6 BBEG) bereits eine entsprechende Kürzungserklärung auszusprechen.
Das BAG hat in einem aktuellen Urteil (v. 19.3.2019 – 9 AZR 362/18, bislang nur als Pressemitteilung 16/19 vorliegend) die vorstehende Kürzungsmöglichkeit und damit seine bisherige Rechtsprechung nochmals bestätigt: In dem zugrunde liegenden Urteil hatte die Arbeitnehmerin bis Ende 2015 Elternzeit in Anspruch genommen. Das Arbeitsverhältnis endete zum 30.6.2016. Im März 2016 beantragte die Arbeitnehmerin Urlaub unter Einbeziehung der während der Elternzeit entstandenen Urlaubsansprüche. Der Arbeitgeber erteilte im April den im ersten Halbjahr des Jahres 2016 entstandenen Urlaub, den auf die Elternzeit entfallenden Urlaub lehnte er ab.
Das BAG gab dem Arbeitgeber recht: Die Kürzungsmöglichkeit der Urlaubsansprüche während der Elternzeit sei europarechtskonform. Das Kürzungsrecht erfasst auch den vertraglichen Mehrurlaub, wenn die Arbeitsvertragsparteien für diesen keine von § 17 Abs. 1 BEEG abweichende Regelung getroffen haben. Die Ablehnung des Urlaubs noch im laufenden Arbeitsverhältnis legte der Senat als Kürzungserklärung aus.
Hinweis:
Zu beachten ist zudem, dass nur für volle Monate der Elternzeit eine Kürzung des Urlaubsanspruchs erfolgen darf, nicht aber für solche, die nur anteilig in die Elternzeit fallen.
Schließt sich an eine Elternzeit eine weitere Elternzeit an, so verfällt der Urlaubsanspruch nicht. Vielmehr erhöht sich der zu übertragende Urlaubsanspruch um die Kalenderjahre, die Elternzeit genommen werden. Er ist auch in diesem Fall im laufenden oder nächsten Kalenderjahr vom Arbeitnehmer zu nehmen bzw. vom Arbeitgeber zu gewähren.
2. Sonderurlaub
In einer weiteren Entscheidung hat das BAG (Urt. v. 19.3.2019 – 9 AZR 315/17, bislang nur als Pressemitteilung 15/19 vorliegend) nunmehr seine bisherige Rechtsprechung zum gesetzlichen Urlaubsanspruch bei unbezahlten Sonderurlaub geändert.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG (Urt. v. 6.5.2014 – 9 AZR 678/12, NZA 2014, 959) konnten gesetzliche Urlaubsansprüche auch dann entstehen, wenn der Arbeitnehmer sich auf (seinen eigenen Wunsch hin) im unbezahlten Sonderurlaub befand. Dieser Sichtweise hat das BAG nunmehr eine Absage erteilt. Nimmt ein Arbeitnehmer für ein Kalenderjahr durchgehend unbezahlten Sonderurlaub, dann steht ihm mangels einer Arbeitspflicht kein Anspruch auf Erholungsurlaub zu. Zu berücksichtigen sei, dass die Arbeitsvertragsparteien ihre Hauptleistungspflichten durch die Vereinbarung von Sonderurlaub vorübergehend ausgesetzt haben.
In dem jetzt entschiedenen Fall gewährte die Arbeitgeberin der seit vielen Jahren bei ihr beschäftigten Arbeitnehmerin wunschgemäß in der Zeit vom 1.9.2013 bis zum 31.8.2014 unbezahlten Sonderurlaub, der einvernehmlich bis zum 31.8.2015 verlängert wurde. Nach Beendigung des Sonderurlaubs verlangt die Arbeitnehmerin von der beklagten Arbeitgeberin, ihr den gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Arbeitstagen für das Jahr 2014 zu gewähren. Das BAG lehnte den von der Arbeitnehmerin geltend gemachten Urlaubsanspruch ab und gab somit der Arbeitgeberin recht.
Hinweis:
Ausgehend von der Pressemitteilung des BAG ist mit Blick auf die Praxis entscheidend, dass die Arbeitnehmerin nicht (nur) "einseitig" durch die Arbeitgeberin von ihrer Arbeitspflicht vorübergehend befreit wurde, sondern dass diese vorübergehende Freistellung von der Arbeitsleistung auf einer mit der Arbeitgeberin abgeschlossenen Vereinbarung beruhte. In diesem Fall haben beide Arbeitsvertragsparteien gemeinsam die Hauptleistungspflichten suspendiert. In der Praxis sollte auf eine entsprechende Dokumentation geachtet werden, da das BAG offenbar auf den Willen beider Vertragsparteien abstellt.