Nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten. Die Bestimmung soll in erster Linie gewährleisten, dass die Finanzierung notwendiger öffentlicher Aufgaben nicht gefährdet wird.
Öffentliche Abgaben i.S.v. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO sind nicht alle einem öffentlichen Gemeinwesen geschuldeten Leistungen, sondern nur diejenigen, die eine Finanzierungsfunktion für den öffentlichen Haushalt haben und damit dem öffentlichen Interesse an einem steten Zufluss der zur Finanzierung der öffentlichen Haushalte bestimmten Abgaben den Vorrang vor dem Interesse des Abgabenschuldners einräumen, nicht vor Eintritt der Bestandskraft des Heranziehungsbescheids zahlen zu müssen. Abgaben sind hiernach Steuern, soweit für sie der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist, also die Gemeindesteuern (z.B. Grundsteuer, Zweitwohnungssteuer), Gebühren (z.B. Kanalbenutzungsgebühren, Kindergartengebühren) und Beiträge (z.B. Erschließungsbeiträge einschließlich der Vorauszahlungen nach §§ 127 ff. BauGB, Beiträge für die Mitgliedschaft in berufsständischen Interessenvertretungen). Sonstige nach festen Sätzen bestimmte öffentlich-rechtliche Geldleistungen fallen unter § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO, wenn sie zumindest in nennenswertem Umfang der Deckung des Finanzierungsbedarfs eines Gemeinwesens dienen, wie z.B. die Kreisumlage (OVG Saarlouis KStZ 1994, 112).
Keine Abgaben i.S.d. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO sind Geldforderungen, die primär anderen Zwecken als der Finanzierung des öffentlichen Haushalts dienen. Dazu gehört der Anspruch einer Gemeinde auf Erstattung von Kosten einer Hausanschlussleitung zum öffentlichen Kanalnetz, d.h. der Leitungsstrecke auf dem Privatgrundstück zwischen Kontrollschacht/Übergabestelle an der Grundstücksgrenze und dem Gebäude. Bei diesem Anspruch handelt es sich nämlich um einen satzungsrechtlich geregelten, dem zivilrechtlichen Aufwendungsersatz für eine Geschäftsführung ohne Auftrag nachgebildeten Anspruch. Er gilt dem Ersatz von Aufwendungen, die bei der Wahrnehmung einer Verpflichtung des Schuldners, der Herstellung von Hausanschlussleitungen in Erfüllung seiner Anschlussverpflichtung, entstanden sind. Diese Kosten stellen einen reinen Durchlaufposten dar, nicht eine Einnahmequelle, aus der ganz allgemein Ausgaben bestritten werden können (OVG Greifswald NVwZ-RR 2001, 401, 402).
Praxishinweis:
Dies wird in der anwaltlichen Praxis gelegentlich übersehen, weil die Kosten für die Hausanschlussleitungen nicht unterschieden werden von den Kanalbaubeiträgen, d.h. den Beiträgen für das öffentliche Kanalnetz (Hauptsammler, Klärwerk etc.), deren Anforderung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO sofort vollziehbar ist.
Ebenfalls nicht zu den Abgaben i.S.d. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO zählt die Ausgleichsabgabe, die Arbeitgeber gem. § 160 Abs. 1 S. 1 SGB IX für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen entrichten müssen, solange sie die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen nicht beschäftigen. Die Ausgleichsabgabe soll den Arbeitgeber zur Erfüllung der Quote veranlassen und dient dem Kostenausgleich zwischen den Arbeitgebern, die ihre Pflicht zur Beschäftigung Schwerbehinderter erfüllen, und denen, die dieser Pflicht nicht nachkommen. Einnahmeerzielung ist nicht ihr Zweck.
Der Begriff der öffentlichen Kosten bezieht sich allein auf die Verwaltungsgebühren und Auslagen, die in einem Verwaltungsverfahren für die öffentlich-rechtliche Tätigkeit einer Behörde nach Maßgabe des jeweils anzuwenden Verwaltungskostenrechts und den dort normierten Tatbeständen entstanden sind (OVG Magdeburg NVwZ-RR 2017, 347 Rn 9). Deshalb unterfallen der Nr. 1 weder die Kosten, die die Polizeibehörde für die unmittelbare Ausführung von Maßnahmen ohne einen vorausgegangenen Verwaltungsakt gegen den Störer geltend macht (VGH Mannheim NVwZ 1986, 933), noch die Kosten, die im Rahmen der Vollstreckung eines Verwaltungsakts anfallen (Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O., Rn 690).