aa) Vorherige oder gleichzeitige Einlegung eines Rechtsbehelfs zur Hauptsache
Streitig ist, ob die Zulässigkeit eines Aussetzungsantrags von der vorherigen oder gleichzeitigen Einlegung eines Rechtsbehelfs in der Hauptsache abhängig ist (bejahend OVG Münster NVwZ-RR 1996, 184; OVG Weimar LKV 1994, 408; OVG Koblenz NJW 1995, 1043; Redeker/von Oertzen, VwGO, 16. Aufl. 2014, § 80 Rn 54; verneinend VGH München DVBl. 1988, 590, 591; VGH Mannheim DVBl. 1995, 303; Kopp/Schenke, a.a.O., § 80 Rn 139). Richtig ist, dass jedenfalls zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein Rechtsbehelf in der Hauptsache eingelegt sein muss (Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn 51); denn die Anordnung oder Wiederherstellung des Suspensiveffekts von Widerspruch und Anfechtungsklage setzt die Einlegung eines solchen Rechtsmittels denkgesetzlich voraus. Die Annahme, ein Gericht werde die aufschiebende Wirkung eines noch einzulegenden Rechtsbehelfs anordnen oder wiederherstellen, wäre lebensfremd. Realistischerweise hat das Gericht die beiden Optionen, entweder den Antrag sofort mangels Rechtsschutzbedürfnisses abzulehnen oder die Einlegung des Rechtsbehelfs abzuwarten. Ein Zeitgewinn lässt sich mit einem vorgezogenen Eilantrag nicht erzielen.
bb) Antragsgegner
Richtiger Antragsgegner ist in analoger Anwendung des § 78 Abs. 1 VwGO grundsätzlich die Körperschaft oder, wenn das Landesrecht dies vorsieht, deren Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat. Ob dies auch gilt, wenn die Widerspruchsbehörde die sofortige Vollziehung angeordnet hat, wird kontrovers beurteilt. Während die überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum wegen des akzessorischen Charakters des Eilverfahrens zum Hauptsacheverfahren auch hier die Ausgangsbehörde als richtigen Antragsgegner ansieht (VGH Kassel NVwZ 1990, 677; OVG Lüneburg NJW 1989, 2147, 2148; VGH Mannheim NVwZ 1995, 1220, 1221; VGH München BayVBl. 1984, 598; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O., Rn 903), ist nach der gegenteiligen Auffassung der Aussetzungsantrag gegen die Widerspruchsbehörde zu richten, weil diese hinsichtlich des Erlasses der Vollzugsanordnung Ausgangsbehörde sei (OVG Münster NJW 1995, 2242; VG Dessau LKV 1997, 264; Redeker/von Oertzen, a.a.O., § 80 Rn 56b).
cc) Antragsfrist
Die VwGO setzt für einen Aussetzungsantrag keine Frist. Es gibt aber andere Gesetze, die (unterschiedlich lange) Fristen vorsehen. So muss etwa ein Aussetzungsantrag gegen eine Abschiebungsanordnung innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe gestellt werden (§ 34a Abs. 2 S. 1 AsylG). Für Aussetzungsanträge gegen Planfeststellungsbeschlüsse gilt eine Frist von einem Monat nach Zustellung (§ 18e Abs. 2 S. 2 AEG, § 43e Abs. 1 S. 2 EnWG, § 17e Abs. 2 S. 2 FStrG, § 10 Abs. 4 S. 2 LuftVG, § 29 Abs. 6 S. 3 PBefG, § 5 Abs. 2 S. 2 VerkPBG, § 14e Abs. 2 S. 2 WaStrG). In der Rechtsmittelbelehrung ist auf die jeweilige Frist hinzuweisen. Fehlt der Hinweis, wird die spezialgesetzlich normierte Frist jedenfalls dann durch die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 S. 1 VwGO ersetzt, wenn die Geltung des § 58 VwGO ausdrücklich angeordnet ist, wie in § 18e Abs. 2 S. 4 AEG, § 43a Abs. 1 S. 4 EnWG, § 17e Abs. 2 S. 4 FStrG, § 10 Abs. 4 S. 3 LuftVG, § 14e Abs. 3 S. 3 WaStrG. Die Frage, ob bei Fehlen einer spezialgesetzlichen Verweisung, wie in § 34a AsylG, § 29 PBefG, § 5 VerkPBG, § 58 VwGO entsprechend anwendbar ist, wird unterschiedlich beantwortet (dafür Kopp/Schenke, a.a.O., § 58 Rn 5; a.A. OVG Lüneburg NVwZ-RR 1995, 177, 178: keine planwidrige Regelungslücke).
dd) Behördliches Vorverfahren?
Die gerichtliche Entscheidung über einen Aussetzungsantrag hat grundsätzlich nicht zur Voraussetzung, dass der Antragsteller zuvor bei der Ausgangs- oder Widerspruchsbehörde erfolglos um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht hat. Eine Ausnahme ist nach § 80 Abs. 6 S. 1 VwGO für den Fall eines Aussetzungsantrags gegen die Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten vorgesehen, und zwar auch dann, wenn ein Vorverfahren nach § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO nicht erforderlich ist (VGH Kassel NVwZ-RR 1995, 235). Das in § 80 Abs. 6 S. 1 VwGO vorgeschriebene besondere Vorverfahren wird durch Klage und Einlassung der Verwaltung darauf zur Sache nicht ersetzt (Kopp/Schenke, a.a.O., § 80 Rn 184) und kann als Zugangsvoraussetzung auch nicht nachgeholt werden (VGH Kassel DVBl. 1994, 805, 806; OVG Berlin-Brandenburg NVwZ 2006, 356).