§ 80 Abs. 5 VwGO beschränkt die Befugnis des Gerichts nicht auf die Prüfung, ob die von der Behörde aufgezeigten Gründe die Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtfertigen. Das Gericht muss eigenständig und losgelöst von der vorangegangenen behördlichen Vollzugsanordnung entscheiden, ob der Suspensiveffekt von Widerspruch und Anfechtungsklage wiederherzustellen ist (VGH München GewArch 1993, 170).
Auch im Fall des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 Alt. 1 VwGO hat sich das Gericht an den Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs zu orientieren. Dabei gilt, dass das Aussetzungsinteresse des Betroffenen umso gewichtiger ist, je größer die Erfolgsaussichten sind. Je geringer diese sind, umso höher müssen die erfolgsunabhängigen Interessen des Antragstellers sein, um eine Aussetzung zu rechtfertigen (VGH Mannheim VBlBW 1997, 391).
Ergibt eine summarische Prüfung des Gerichts, dass Widerspruch und Anfechtungsklage wegen offensichtlicher Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts erfolglos bleiben werden, werden mit anderen Worten die Erfolgsaussichten mit Null bewertet, soll nach wohl überwiegender Meinung in der Rechtsprechung (BVerwG DVBl. 1974, 566; VGH München GewArch 1982, 238, 239; OVG Münster OVGE 35, 125, 126) das Vollziehungsinteresse der Behörde überwiegen, weil es nicht Aufgabe des Eilverfahrens sei, Rechtspositionen einzuräumen oder zu bewahren, die einem Hauptsacheverfahren erkennbar nicht standhalten. Mit dem Gesetz vereinbar ist diese Ansicht nicht (VGH Mannheim a.a.O.; VGH Kassel MDR 1992, 315; OVG Lüneburg GewArch 1984, 380). § 80 Abs. 1 VwGO nimmt es hin, dass auch einem Rechtsbehelf gegen einen offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakt aufschiebende Wirkung zukommt, während § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO den Ausschluss des Suspensiveffekts von einem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung abhängig macht. Das allgemeine öffentliche Interesse an der Vollziehung eines erkennbar rechtmäßigen Verwaltungsakts genügt nicht.
Ist nach summarischer Prüfung der Hauptsacherechtsbehelf offensichtlich erfolgreich, soll das Suspensivinteresse des Betroffenen jedes öffentliche Vollzugsinteresse überwiegen (OVG Hamburg NJW 1981, 1750; VGH Kassel a.a.O.). Auch gegen diese Meinung bestehen Bedenken. So kann z.B. eine für sofort vollziehbare Regelung der Dienstbereitschaft eines Apothekers nach § 23 ApBetrO – aus welchen Gründen immer – offensichtlich rechtswidrig sein; gleichwohl kann es geboten sein, den Sofortvollzug (befristet) zu bestätigen, um eine akute Gefährdung der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zu verhindern. Das BVerwG wertet den voraussichtlichen Erfolg des Hauptsacherechtsbehelfs denn auch nur als wesentliches Indiz dafür, dass die Vollziehung des Verwaltungsakts bis zur Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss (BVerwG BauR 2015, 968, 969 zu § 47 Abs. 6 VwGO).
Die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs sind – von den Einschränkungen abgesehen, die das BVerfG (a.a.O.) formuliert hat – nach alledem nur ein abwägungserheblicher Belang und entbinden nicht davon, anhand zusätzlicher Kriterien zu ermitteln, wessen Interesse für die Dauer des Hauptsacheverfahrens der Vorrang gebührt. Erforderlich ist insoweit eine Ermittlung, Gegenüberstellung und Gewichtung der Nachteile, die zu Lasten des Allgemeininteresses eintreten, wenn die Vollziehung des Verwaltungsakts während des Hauptsacheverfahrens unterbleibt, und der Nachteile eines sofortigen Vollzugs für den Betroffenen. Zu dessen Gunsten fällt insbesondere der etwaige Umstand in die Waagschale, dass der Sofortvollzug irreparable oder nur schwer rückgängig zu machende Folgen bei ihm auslöst.