1. Grundsatz des § 80 Abs. 1 VwGO
§ 80 VwGO enthält in Absatz 1 Satz 1 die Grundregel, dass Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben. Bei einem Verwaltungsakt als allein statthaftem Gegenstand dieser Rechtsmittel (§§ 42 Abs. 1, 68, 69 VwGO), der dem Adressaten eine Geldleistung, ein Tun, Dulden oder Unterlassen auferlegt, bedeutet aufschiebende Wirkung, dass für deren Dauer der angefochtene Verwaltungsakt nicht befolgt zu werden braucht (BVerwGE 63, 74, 77) und nicht vollzogen werden darf (BVerwGE 99, 109, 112). Die Behörde darf den mit aufschiebender Wirkung angefochtenen Verwaltungsakt auch nicht zum Anlass für Folgemaßnahmen nehmen. Zum Beispiel darf sie den ausgewiesenen Ausländer nicht daran hindern, erneut in das Bundesgebiet einzureisen und sich darin aufzuhalten (OVG Schleswig NVwZ-RR 1993, 437, 438).
§ 80 Abs. 1 S. 2 VwGO stellt klar, dass die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage auch für rechtsgestaltende und feststellende Verwaltungsakte gilt. Rechtsgestaltend ist ein Verwaltungsakt, durch den Rechtsbeziehungen unmittelbar begründet, aufgehoben oder geändert werden, beispielweise die Aufhebung einer Genehmigung im Wege des Widerrufs oder der Rücknahme. Der feststellende Verwaltungsakt dient der Feststellung von Tatsachen oder Rechtsfolgen, z.B. der Feststellung, dass ein Beamtenverhältnis wegen einer strafgerichtlichen Verurteilung des Beamten gem. § 24 Abs. 1 S. 1 BeamtStG kraft Gesetzes zu einem bestimmten Zeitpunkt erloschen ist. Durch die aufschiebende Wirkung wird der Fortbestand der bisherigen Rechtslage fingiert, d.h. die Behörde hat jede Maßnahme zu unterlassen, die den Eintritt der in dem rechtsgestaltenden Verwaltungsakt verfügten Rechtsänderung voraussetzt (BVerwG Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 23), bzw. darf aus der getroffenen Feststellung keine rechtlichen oder tatsächlichen Folgen ziehen (VGH Mannheim DVBl. 1976, 548, 549). So wird die Behörde durch den Suspensiveffekt beispielweise daran gehindert, nach widerrufener Gaststättenerlaubnis gem. § 31 GastG i.V.m. § 15 Abs. 2 S. 1 GewO die Gaststätte zu schließen. Da der Gaststättenbetreiber so zu behandeln ist, als wäre er noch Erlaubnisinhaber, liegt ein ungenehmigter Betrieb als Voraussetzung für die Verhinderung seiner Fortsetzung nicht vor. Im Fall der Feststellung der Beendigung des Dienstverhältnisses nach § 24 Abs. 1 S. 1 BeamtenStG zwingt der Suspensiveffekt dazu, den ehemaligen Beamten als dienstlich noch aktiven Beamten zu behandeln.
Nach § 80 Abs. 1 S. 2 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage ferner beim Verwaltungsakt mit Doppelwirkung (§ 80a VwGO) aufschiebende Wirkung. Der Verwaltungsakt mit Doppelwirkung ist ein Verwaltungsakt, der entweder den Adressaten begünstigt und gleichzeitig einen anderen belastet oder den Adressaten belastet und dadurch einen anderen begünstigt. Die aufschiebende Wirkung bedeutet: Ficht der von einer Baugenehmigung (begünstigender Verwaltungsakt) nachteilig in seinen Rechten betroffene Nachbar die Genehmigung an, so darf von ihr für die Dauer der aufschiebenden Wirkung kein Gebrauch gemacht und das genehmigte Vorhaben nicht verwirklicht werden. Ficht der von einer Betriebsuntersagung (belastender Verwaltungsakt) Betroffene die Untersagungsverfügung an, darf der emittierende Betrieb, der das Objekt der angeordneten Schließung bildet, unter dem Schutz der aufschiebenden Wirkung vorerst weitergeführt werden und bleiben die Nachbarn bis auf Weiteres den schädlichen Immissionen ausgesetzt.
Hinweis:
Umstritten ist, ob dem unzulässigen Hauptsacherechtsbehelf aufschiebende Wirkung zukommt (s. im Einzelnen Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn 646 ff.). Für die bedeutsamste Fallgestaltung, den verfristeten Rechtsbehelf, hat sich die Meinung in Rechtsprechung und Literatur (BVerwGE 20, 240, 243; VGH Kassel ESVGH 21, 97, 99; VGH Mannheim VBlBW 1992, 152; OVG Weimar LKV 1994, 408; Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 80 Rn 130; Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 80 Rn 84) dahingehend verfestigt, dass ein verfristeter Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat, weil es zu keiner gerichtlichen Überprüfung des Verwaltungsakts mehr kommen kann und deshalb für die Sicherung der Effektivität des Rechtsschutzes in der Hauptsache kein Raum ist. Etwas anderes ist lediglich dann anzunehmen, wenn der durch einen bestandskräftigen Verwaltungsakt Belastete einen noch nicht beschiedenen, nicht offensichtlich aussichtslosen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt hat (Kopp/Schenke, a.a.O., § 80 Rn 130).
2. Ausnahmen nach § 80 Abs. 2 VwGO
In den in § 80 Abs. 2 VwGO abschließend aufgezählten Fällen ist die aufschiebende Wirkung ausgeschlossen. Die Regelung dient der Sicherung der Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch Sicherstellung der Vollziehbarkeit der dafür erforderlichen Verwaltungsakte. Auch soll sich der Adressat seinen Verpflichtungen nicht einfach durch Einlegung eines Rechtsmittels entziehen können.
a) Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten
Nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO entfällt die aufschiebende Wirk...