1. Allgemeines Leistungsverweigerungsrecht
Art. 240 EGBGB enthält Bestimmungen über "Vertragsrechtliche Regelungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie". In § 1 dieses Artikels wird dem Verbraucher ein Recht zur Leistungsverweigerung bei Verträgen, die vor dem 8.3.2020 geschlossen wurden, bis zum 30.6.2020 eingeräumt, wenn ihm infolge von Umständen, die auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind, die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung seines angemessenen Lebensunterhalts oder des angemessenen Lebensunterhalts seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht möglich wäre. Dies gilt aber gem. Art. 240 § 1 Abs. 4 Nr. 1 EGBGB ausdrücklich nicht im Zusammenhang mit Miet- und Pachtverträgen.
Wichtiger Hinweis:
Deshalb schulden die Mieter die Miete weiter. Das Gesetz "stundet" die Miete nicht, wie es in der Presse teilweise heißt. Der Vermieter kann den Mieter auf Zahlung verklagen. Das geht auch im Urkundsverfahren.
2. Beschränkung der Kündigung von Mietpachtverhältnissen
Für diese Verträge gilt als lex specialis Art. 240 § 2 EGBGB:
Zitat
§ 2
Beschränkung der Kündigung von Miet- und Pachtverhältnissen
(1) Der Vermieter kann ein Mietverhältnis über Grundstücke oder über Räume nicht allein aus dem Grund kündigen, dass der Mieter im Zeitraum vom 1.4.2020 bis 30.6.2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Der Zusammenhang zwischen COVID-19-Pandemie und Nichtleistung ist glaubhaft zu machen. Sonstige Kündigungsrechte bleiben unberührt.
(2) Von Absatz 1 kann nicht zum Nachteil des Mieters abgewichen werden.
(3) Die Absätze 1 und 2 sind auf Pachtverhältnisse entsprechend anzuwenden.
(4) Die Absätze 1 bis 3 sind nur bis zum 30.6.2022 anzuwenden.
a) Gesetzeszweck
Die Regelung soll Mieter von Grundstücken sowie von zu privaten oder gewerblichen Zwecken angemieteten Räumen für den Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni 2020 hinsichtlich des Bestands des Vertragsverhältnisses absichern. Die Mieter sollen nicht den Verlust der Mietsache befürchten müssen, wenn sie vorübergehend die fälligen Mieten nicht fristgerecht zahlen können. Die Regelung stellt eine zeitlich begrenzte Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass eine Leistungsunfähigkeit aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten den Schuldner auch dann nicht von den Folgen des Ausbleibens der rechtzeitigen Leistung befreit, wenn sie auf unverschuldeter Ursache beruht (BGH BGHZ 204, 134 = NZM 2015, 196 = NJW 2015, 1296).
Hinweis:
Aufgrund der außergewöhnlich kurzfristigen Abfassung des Gesetzes, der deshalb nicht möglichen Beteiligung der Praxis und der völlig neuen Situation muss bei der Auslegung und Anwendung des Gesetzes dem Gesetzeszweck eine besondere Bedeutung beigemessen werden. Dabei darf nicht am Wortlaut des Gesetzestextes "geklebt" werden.
Die Vorschrift gilt für Wohn- und Geschäftsraummietverhältnisse gleichermaßen. Für die ordentliche Kündigung von Wohnraummietverhältnissen gem. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist Verschulden erforderlich. Hier kann sich der Mieter auf unvorhersehbare wirtschaftliche Engpässe berufen (BGH WuM 2016, 682). Gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB ist es dabei aber Sache des Mieters, im Einzelnen darzulegen, dass die finanzielle Notlage aufgrund einer unvorhersehbaren wirtschaftlichen Notlage eingetreten ist (BGH NZM 2013, 20 = NJW 2013, 159 = MietPrax-AK § 573 BGB Nr. 44 m. Anm. Börstinghaus; BGH WuM 2016, 682 = MietPrax-AK § 573 BGB Nr. 59 m. Anm. Börstinghaus).
b) Ausschließlich erfasste Mieten
Die Vorschrift erfasst nur Zahlungsrückstände, die vom 1. April bis 30. Juni 2020 entstanden sind oder entstehen. Nach den Voraussagen zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes ist zumindest für diesen Zeitraum mit erheblichen wirtschaftlichen Verwerfungen durch die COVID-19-Pandemie zu rechnen. Es geht also um zurzeit max. drei Monatsmieten (zur Verlängerungsmöglichkeit: s.u. IV).
c) Der Kündigungsausschluss
Mieter erhalten für diese Monate kein Leistungsverweigerungsrecht nach Art. 240 § 1 EGBGB. Sie bleiben nach allgemeinen Grundsätzen zur Leistung verpflichtet. Sie können grds. in Verzug geraten, wobei dies gem. § 286 Abs. 4 BGB dann nicht der Fall ist, wenn dies aufgrund eines Umstands geschieht, den sie nicht zu vertreten haben. Ob in der augenblicklichen Situation der Grundsatz "Geld hat man zu haben" tatsächlich uneingeschränkt weiter gilt, darf ernsthaft bezweifelt werden.
Das bedeutet, dass in den Fällen, in denen der Wohn- oder Geschäftsraummieter die im Zeitraum vom 1.4.2020 bis 30.6.2020 fällige Miete ganz oder teilweise nicht zahlt, der Vermieter das Mietverhältnis wegen dieser Rückstände nicht kündigen darf, wenn diese auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruhen. Derartige Mietrückstände stellen zunächst keinen wichtigen Grund zur außerordentlichen fristlosen Kündigung gem. § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB dar. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 19/18110) bedeutet der Zahlungsrückstand für Mieten für diese Monate auch keine schuldhafte Pflichtverletzung gem. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB.
Hinweis:
1. |
Die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses allein aufgrund solcher Mietrückstände ist deshalb ausgeschlossen. |
2. |
Strittig könnte sein, ob die Kündigung dann m... |