I. Vorbemerkung
In der mietrichterlichen Praxis kommt es häufig vor, dass sich erst im Laufe eines Räumungs- und Herausgabeprozesses gegen einen Mieter herausstellt, dass dieser weitere Untermieter, eine (Ehe-/Lebens-)Partnerin oder sonstige Dritte in die Wohnung mit aufgenommen hat, sodass sich für die Vermieterseite die Problematik auftut, dass sie selbst mit einem rechtskräftigen Räumungstitel gegen den einen Mieter nicht das von ihr gewünschte Rechtsschutzziel erreichen kann, nämlich jeglichen Fremdbesitz an der vermieteten Wohnung ggf. im Wege der Zwangsvollstreckung beseitigen zu können. Dies folgt rein praktisch aus zwangsvollstreckungsrechtlichen Gesichtspunkten, da die oder der zuständige Gerichtsvollzieher eine Zwangsräumung aufgrund eines Räumungstitels gegen eine Person nicht durchführen kann und wird, wenn diese(r) beim Räumungstermin weitere Personen in der Wohnung vorfindet, die glaubhaft mitteilen, ebenfalls in der Wohnung zu leben. Der nachfolgende Beitrag wird sich mit den hieraus resultierenden rechtlichen Problemfeldern auseinandersetzen und insb. mögliche zivilprozessuale Möglichkeiten aufzeigen, um diese zu lösen.
II. Probleme der Räumungsklage gegen mehrere Mieter/Besitzer der Wohnung
In der Praxis häufig anzutreffen ist, dass ein langjähriger Mietvertrag zwischen zwei Mietvertragsparteien besteht, in welchem beispielsweise der Sohn des ursprünglichen Vermieters in Folge des Erbgangs nach §§ 1922 Abs. 1, 566 Abs. 1 BGB als neuer Vermieter eingetreten ist, der die Wohnung sodann beispielsweise wegen Eigenbedarfs für sich selbst ordentlich gem. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB kündigt. Nicht selten stellt sich erst i.R.d. Räumungsprozesses heraus, dass weitere Personen in der Wohnung leben, wobei die verschiedenen prozessualen Probleme dabei anhand von Fallbeispielen erläutert werden sollen.
1. Ausgangsfall
Vermieter A ist Alleineigentümer einer 4-Zimmer-Wohnung in München-Laim, welche er an den Mieter B durch unbefristeten schriftlichen Wohnraummietvertrag aus dem Jahr 2005 vermietet hat. Mieter B kommt mit der vollen Mietzahlung für zwei aufeinanderfolgende Mieten in Verzug und erhält eine außerordentliche Kündigung durch den anwaltlichen Vertreter des Vermieters gestützt auf § 543 Abs. 2 Nr. 3a BGB mit einer angemessenen Auszugsfrist von 10 Tagen. Nachdem Mieter B nicht innerhalb der Auszugsfrist die Wohnung geräumt hat, erhebt Vermieter A Räumungs- und Herausgabeklage gegen Mieter B vor dem zuständigen Amtsgericht, Mietabteilung. In der anberaumten Güteverhandlung erklärt der Mieter B, dass bereits seit ca. 1 Jahr vor Zustellung der Räumungs- und Herausgabeklage, der volljährige Freund C als Untermieter mit in der Wohnung wohnt, wovon Vermieter A keinerlei Kenntnis hatte.
Frage: Wie sollte sich der Prozessbevollmächtigte des Vermieters in dieser Situation verhalten?
a) Rechtliche Vorbetrachtungen
Dogmatischer Ausgangspunkt ist, dass die Beendigung des Hauptmietvertrages aufgrund der Relativität der Schuldverhältnisse nicht zur Folge hat, dass der zwischen dem Hauptmieter und dem Untermieter geschlossene Untermietvertrag ebenfalls beendet wird. Dieser bleibt vielmehr wirksam (Staudinger/Rolfs, Neubearbeitung 2018, Stand v. 3.5.2019, § 546 BGB Rn 86 m.w.N. aus der Rspr.).
Der Gesetzgeber hat die vollstreckungsrechtliche Problematik für den Vermieter gesehen und aus praktischen Gründen in § 546 Abs. 2 BGB eine vertragliche Anspruchsgrundlage gegen jeden Dritten aufgenommen, dem Mitbesitz an der vermieteten Wohnung durch den Mieter überlassen wurde. Anspruchsvoraussetzungen von § 546 Abs. 2 BGB sind die Beendigung des Hauptmietvertrags, die Gebrauchsüberlassung an einen Dritten und die Geltendmachung des Rückgabeanspruchs gegenüber dem Dritten durch den Vermieter (Schmidt-Futterer/Streyl, 14. Aufl. 2019, § 546 BGB Rn 89). Ohne § 546 Abs. 2 BGB hätte der Vermieter einen derartigen Anspruch nur dann, wenn er aufgrund seines Eigentumsrechts oder eines anderen dinglichen Rechts (z.B. Nießbrauch) von jedem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen könnte (Staudinger/Rolfs, a.a.O., § 546 BGB Rn 86).
- Es muss ein wirksames Hauptmietverhältnis bestanden haben. Grundsätzlich belanglos ist daher, ob der Hauptmieter seinen Besitz schon vorzeitig aufgegeben hat oder ob der Mieter die Nutzung nach Vertragsende noch fortsetzt (Schmidt-Futterer/Streyl, a.a.O., § 546 BGB Rn 91). Anders ist dies nur, wenn der Mieter nach dem rechtlichen Vertragsende noch nicht zur Räumung verpflichtet ist, etwa weil ihm eine gerichtliche Räumungsfrist nach § 721 ZPO eingeräumt wurde (OLG München, Urt. v. 29.1.2015 – 23 U 3353/14, BeckRS 2015, 3556). Da der Anspruch nach § 546 Abs. 2 BGB von demjenigen nach § 546 Abs. 1 BGB abhängt, ist er für die Zeit der gerichtlichen Räumungsfrist ebenfalls gehemmt (AG Aachen, Urt. v. 18.10.1989 – 11 C 448/89, WuM 1989, 150).
Der Mieter muss den Gebrauch der Mietsache einem Dritten überlassen haben. Bei mehreren Hauptmietern ist es bereits nach dem Wortlaut ausreichend, wenn einer von ihnen den Gebrauch überlassen hat (Schmidt-Futterer/Streyl, a.a.O., § 546 BGB Rn 96 m.w.N.). Dritter in diesem Sinne ist jeder, der nicht personengleic...