Die EU-Kommission hat im vergangenen Herbst einen Vorschlag für eine neue Verordnung zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet vorgelegt. Das Vorhaben soll es Online-Kommunikationsdienstleistern erlauben, freiwillige Maßnahmen zur automatisierten Analyse von Kommunikationsdaten (Inhalts-, Verkehrs- und Standortdaten) zu implementieren und identifizierte Fälle von sexuellem Missbrauch an Behörden zu melden. Kurz zusammengefasst soll das Ziel der Bekämpfung sexuellen Kindesmissbrauchs im Internet mithilfe einer flächendeckenden automatisierten Durchleuchtung von Online-Kommunikation erreicht werden.
Kritisch zu dem Vorhaben hat sich kürzlich der Deutsche Anwaltverein (DAV) geäußert. Er begrüßt zwar das Ziel der besseren Bekämpfung von Kindesmissbrauch, lehnt aber das geplante verdachtsunabhängige Scannen von Online-Kommunikation als unverhältnismäßig ab. Besonders besorgniserregend sei, so der DAV, dass die Überwachung auch die vertrauliche Kommunikation von Berufsgeheimnisträgern umfassen soll. Das Berufsgeheimnis müsse in jedem Fall geschützt bleiben.
Der DAV argumentiert, dass internetbasierte Kommunikation, etwa über Mailing- oder Messengerdienste, mittlerweile zum anwaltlichen Alltag gehören. Mandantinnen und Mandanten nutzten diese Wege zur Kontaktaufnahme, und gerade in Eilfällen sei eine Umleitung der Rechtsuchenden auf andere, besonders gesicherte Kontaktwege nicht praktikabel. Dies dürfe aber die Vertraulichkeit anwaltlicher Beratung nicht aushebeln. Durch das Vorhaben der EU würde aber das Mandatsgeheimnis im Bereich des Webmailings, Messagings und der Internettelefonie außer Kraft gesetzt, befürchtet Rechtsanwalt Dr. David Albrecht, Mitglied des Ausschusses Gefahrenabwehrrecht des DAV. Namentlich in Fällen, in denen Anwältinnen und Anwälte Opfer von Kindermissbrauch verträten oder solcher Taten Beschuldigte verteidigten, würde die geplante Verordnung unweigerlich zu Eingriffen in die Vertraulichkeit von Mandatsbeziehungen führen. Das sei rechtsstaatlich inakzeptabel.
Das Gesetzesvorhaben sei daher insgesamt abzulehnen, so der DAV. Sollte die EU-Verordnung dennoch angenommen werden, sei zwingend zumindest eine Sicherungsklausel zum Schutz des Mandatsgeheimnisses aufzunehmen. Das Mandatsgeheimnis und das Vertrauen der Rechtsuchenden darauf sei Grundvoraussetzung für den Zugang zum Recht, so Albrecht. Gerade in Zeiten wachsender anwaltlicher Online-Kommunikation wäre es ein fatales Zeichen, die Vertraulichkeit und damit den Zugang zum Recht hier auszuklammern.
[Quelle: DAV]