Die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes (BND) muss rechtlich auf neue Füße gestellt werden – sind Anwälte künftig gut genug geschützt?
Jahrelang war ungeklärt, wie weit die Geltung der Grundrechte reicht. Praktisch ging es v.a. um eine Frage: Müssen die Nachrichtendienste im Ausland gegenüber Ausländern das Grundgesetz beachten? Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte sich lange um diese Frage herumgedrückt, aber im vergangenen Jahr in einem aufsehenerregenden Beschluss eine Klärung herbeigeführt (s. dazu BVerfG, Urt. v. 19.5.2020 –1 BvR 2835/17) Die Verfassungsrichter in Karlsruhe stellten fest, dass die deutsche Staatsgewalt im Ausland an Grundrechte gebunden ist – auch der Bundesnachrichtendienst (BND). Die bisherigen Regeln zur Überwachung von Ausländern im Ausland verwarfen die Richter als verfassungswidrig.
In den Sicherheitskreisen war der Unmut groß. Zwar findet sich in dem 140 Seiten langen Urteil auch der Satz, dass es ein „überragendes öffentliches Interesse an einer wirksamen Auslandsaufklärung” gebe. Doch durch die Einschränkungen und zusätzlichen Kontrollen, die Karlsruhe dem Dienst auferlegt, wird es für den BND künftig um einiges langwieriger und komplizierter, zur Früherkennung von Gefahren die Kommunikation von Ausländern im Ausland mithilfe von Suchbegriffen zu überwachen.
Journalisten hatten geklagt, weil sie befürchteten, wegen ihrer Arbeit ins Netz der weltweiten BND-Überwachung zu geraten. Auch Anwaltsverbände zeigten sich erfreut über das Urteil, es betrifft auch die Arbeit von Rechtsanwälten. Das Bundesverfassungsgericht fordert nämlich für alle Berufsgruppen, deren Kommunikation besondere Vertraulichkeit verlangt, also auch für Anwälte, erhöhte Schutzvorkehrungen. Das Eindringen in Vertraulichkeitsbeziehungen sei nur zur Aufklärung von schwerwiegenden Gefahren zulässig, so heißt es in der Entscheidungsbegründung des BVerfG (BVerfG, a.a.O.).
Die Bundesregierung hat nun einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden soll. Viel Zeit bleibt nicht, um die Arbeit des BND auf neue Füße zu stellen. Das Bundesverfassungsgericht hatte aufgegeben, die Praxis bis Ende dieses Jahres neu zu regeln. Allerdings fordern die Fachleute, die kürzlich im Innenausschuss des Bundestags angehört wurden, noch einige Nachbesserungen. Im Gesetzesentwurf heißt es nun, dass die gezielte Ausforschung von vertraulicher Kommunikation von Geistlichen, Rechtsanwälten und Journalisten unzulässig sei. Lediglich in Ausnahmefällen, etwa zur Verhinderung einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für den Bestand oder die Sicherheit Deutschlands, darf der BND in diese Vertraulichkeitsbeziehungen Einblick nehmen.
Geht dieser Schutz weit genug? Der Kölner Rechtsanwalt Nikolaos Gazeas monierte im Innenausschuss, dass im Gesetzesentwurf allein die Kommunikation von Anwälten mit ihren Mandaten geschützt sei, nicht aber auch die mit den Mitarbeitern in den Kanzleien, obwohl auch hier sensible Informationen ausgetauscht werden. Noch in einem anderen Punkt forderten Gutachter eine Stärkung der Anwaltschaft: Im unabhängigen Kontrollrat, der die Überwachungsaktivitäten des BND auf allen Ebenen prüfen soll, sollen nach den Vorstellungen der Bundesregierung nur Richter und Staatsanwälte sitzen. Doch es fehlen Personen, die berufsmäßig die Rechte von Betroffenen vertreten, also Anwälte. Bislang gibt es allerdings noch keine Signale aus der Politik, die auf ein Einlenken in diesen Punkten hindeuten.
Die Bundesregierung sollte dabei nicht vergessen, dass eine neue rechtliche Grundlage auch für die Nachrichtendienste eine Chance birgt: Regeln, die im Einklang mit der Karlsruher Rechtsprechung stehen, können helfen, das Misstrauen der Bevölkerung in die Arbeit der Nachrichtendienste abzubauen.
ZAP F., S. 363–364
Von Dr. Helene Bubrowski, Politische Korrespondentin der FAZ, Berlin