Das „Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen” (GeschGehG) ist am 26.4.2019 in Kraft getreten. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes sind die vormals geltenden Regelungen §§ 17, 19 UWG, in denen der Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen bislang geregelt war, außer Kraft getreten (umfassend dazu: Otte-Gräbner/Kutscher-Puis ZVertriebsR 2019, 288 ff.; Korte/Harten ZVertriebsR, 2021, 155 ff.).
a) Bedeutung für Franchise-Systeme
Das GeschGehG hat grundsätzliche Bedeutung für das Know-how eines jeden Vertriebs- bzw. Franchise-Systems. Wird das Know-how entsprechend den Regelungen des GeschGehG verwaltet, so kann ein Unterlassungsanspruch gem. § 6 GeschGehG geltend gemacht werden – z.B. gegenüber Nachahmern oder auch gegenüber ausgeschiedenen Franchise-Nehmern oder Vertriebspartnern, die nach Beendigung des Franchise- oder Vertriebsvertrages das ihnen nur für die Dauer des abgeschlossenen Vertrages zur Nutzung überlassene Know-how weiterhin für eigene Zwecke unberechtigt nutzen oder unberechtigt Dritten zur Nutzung überlassen.
b) Rechtsprechung zu § 6 GeschGehG
Bislang gab es zum GeschGehG und der Anwendung des Unterlassungstatbestandes des § 6 GeschGehG keine Rechtsprechung. Insofern hat das OLG Hamm mit seinem Urt. v. 15.9.2020 (4 U 177/19 – ZVertriebsR 2021, 302 m. Anm. Flohr) „juristisches Neuland” beschritten. Im konkreten Fall, der erstinstanzlich durch Urteil des LG Münster vom 30.10.2019 (21 O 76/17) entschieden worden ist, ging es darum, dass der Geschäftsführer des Beklagtenunternehmens, der zuvor bei der Klägerin angestellt war, Konstruktionszeichnungen für wesentliche Bauteile in unrechtmäßiger Weise erlangt hatte, indem er vertrauliche Entwicklungsunterlagen rechtswidrig vervielfältigt und mitgenommen hatte bzw. sich die entsprechenden E-Mail-Schreiben an seinen privaten E-Mail-Account hatte weiterleiten lassen. Sowohl das LG Münster als auch das OLG Hamm sahen keinen Unterlassungsanspruch als gegeben an, weil nicht der Nachweis dafür erbracht werden konnte, dass das GeschGehG in entsprechender Weise im Unternehmen der Klägerin umgesetzt worden war. Zunächst befasst sich das OLG Hamm mit der Frage, wann ein Geschäftsgeheimnis i.S.v. § 2 Nr. 1 GeschGehG vorliegt.
c) Know-how eines Franchise-Systems
Danach ist ein Geschäftsgeheimnis eine Information, die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher vom wirtschaftlichen Wert ist und die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch den rechtmäßigen Inhaber ist und bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht. Diese Voraussetzung an dem Begriff des Geschäftsgeheimnisses erfüllt grds. das Know-how eines jeden Franchise-Systems. Dieses ist weder insgesamt noch in der genauen Anordnung noch in der Zusammensetzung der Bestandteile solchen Personen bekannt, die nicht auf der Grundlage eines Franchise-Vertrages mit dem Franchise-Geber zusammenarbeiten. Dieses Know-how, das das Franchise-System präsentiert, stellt auch einen wirtschaftlichen Wert dar und Franchise-Geber treffen angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen, wobei im Hinblick auf den Schutz des Know-hows eines Franchise-Systems ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht.
Insofern ist davon auszugehen, dass das Absatz-Konzept eines Franchise-Systems als Geschäftsgeheimnis i.S.v. § 2 Nr. 1 GeschGehG anzusehen ist. Insofern unterstreicht die Entscheidung des OLG Hamm vom 15.9.2020 die Bedeutung des Know-hows eines Franchise-Systems.
d) Voraussetzungen von § 6 GeschGehG
Um aber einen Unterlassungsanspruch nach § 6 GeschGehG geltend machen zu können, müssen auch die weiteren Voraussetzungen gegeben sein, d.h.
- es müssen angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen ergriffen worden sein;
- Verstöße gegen Geheimhaltungsmaßnahmen müssen zu entsprechenden Reaktionen des Franchise-Gebers führen;
- der Franchise-Geber ist verpflichtet, jedem Hinweis auf die Umgehung von Geschäftsgeheimnissen sorgfältig nachzugehen und das Sicherheitskonzept zeitnah anzupassen;
- es müssen Sanktionen gegenüber demjenigen ergriffen werden, der das Know-how eines Franchise-Systems unberechtigt, d.h. für eigene Zwecke oder durch Weitergabe an Dritte, nutzt.
Insofern ist es notwendig, dass jedes Franchise-System solche angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen ergreift, sei es,
- dass zunächst i.R.d. Franchise-Vertrages vereinbart wird, dass das Know-how des Franchise-Systems geheim zu halten ist;
- mit jedem Franchise-Nehmer-Interessenten und Franchise-Nehmer sowie den Mitarbeitern der Franchise-Nehmer, die mit dem Know-how des Franchise-Systems arbeiten, eine umfassende Geheimhaltungsvereinbarung geschlossen wird;
- durch den Franchise-Geber stichpunktartig überprüft wird, ob das Know-how des Franchise-Systems durch den Franchise-Nehmer und/oder dessen Mitarbeiter geheim gehalten wird;
- bei Verstößen in angemessener Weise reagiert wird, zunächst durch eine Abmahnung und im Falle der Nichteinstellung des gerügten Verstoßes gegen die Geheimhaltungsverpflicht...