Die Frage nach dem zuständigen Eingangsgericht bestimmt sich in erster Linie nach den Kriterien der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit. Die funktionelle Zuständigkeit, d.h. den zur Entscheidung intern berufenen Spruchkörper, ermittelt bei Anrufung des zuständigen Gerichts dieses anhand des Geschäftsverteilungsplans (vgl. § 21e GVG).
Nur im Einzelfall kann eine Partei dies durch entsprechende Antragstellung beeinflussen, so gelangt beispielsweise die Streitsache an eine Kammer für Handelssachen beim LG (§ 95 GVG) nur dann, wenn dies beantragt wird (§ 96 Abs. 1 GVG). Die Frage des Bestehens auswärtiger Spruchkörper (z.B. in Hessen die auswärtigen Senate des OLG Frankfurt a.M. an den historischen Standorten der früheren Obergerichte in Kassel und Darmstadt) richtet sich wiederum nach gerichtsorganisatorischen Spezialregelungen: So ist nach § 5 S. 1 Hess. GerOrgG der Minister der Justiz „zuständig anzuordnen, dass außerhalb des Sitzes eines Amtsgerichts Zweigstellen des Amtsgerichts errichtet oder Gerichtstage abgehalten werden”. Als diese Regelung erlassen wurde, gab es dafür im GVG jedoch keine Rechtsgrundlage, obwohl eine solche grds. erforderlich ist (s. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG für die Zuständigkeit des Bundes im Bereich der Gerichtsverfassung); der (später geschaffene) § 13a Abs. 1 GVG (vgl. dazu das Änderungsgesetz v. 19.4.2006, BGBl I, 866) eröffnete diese Möglichkeit dann explizit.
Das für den Rechtsstreit angerufene Gericht prüft nach den nachfolgenden Kriterien die Zuständigkeit von Amts wegen. Das Gericht bejaht die Zuständigkeit in den Gründen des Endurteils oder in einem Zwischenurteil (§ 280 Abs. 1 ZPO). Stellt das angerufene Gericht allerdings dessen örtliche und/oder sachliche Unzuständigkeit fest, erfolgt eine Verweisung per unanfechtbarem Verweisungsbeschluss an das zuständige Gericht gem. § 281 Abs. 2 S. 2 ZPO nach vorherigem Antrag des Klägers (§ 281 Abs. 1 S. 1 ZPO). Der Verweisungsbeschluss ist auch für das Adressatgericht bindend. Dies hat letztlich zur Folge, dass auch ein nach den gesetzlichen Kriterien unzuständiges Gericht dann für das Verfahren bindend zuständig sein kann. Eine Verweisung aufgrund einer Rechtswegunzuständigkeit erfolgt nach Anhörung der Parteien gem. § 17a Abs. 2 GVG von Amts wegen und es bedarf keines Antrags des Klägers. Allerdings ist dagegen die sofortige Beschwerde nach § 17a Abs. 4 S. 3 GVG möglich (vgl. nur Baur, a.a.O., 5. Kap., Rn 4 ff. m.w.N).
1. Sachliche Zuständigkeit
Die sachliche Zuständigkeit unterscheidet die Zuordnung einer Streitsache nach § 1 ZPO i.V.m. §§ 23, 23a, 71 GVG in erster Instanz zum Amtsgericht oder Landgericht. Die Unterscheidung erfolgt in erster Linie nach dem Wert des Streitgegenstands, welcher sich nach den Regelungen der §§ 2 ff. ZPO bestimmt. Gemäß § 23 Nr. 1 GVG ist das AG für Rechtsstreitigkeiten mit einem Streitwert von bis zu 5.000 EUR zuständig. Das LG wird somit grds. dann in erster Instanz tätig, wenn der Streitwert den Grenzwert von 5.000 EUR überschreitet (§ 71 Abs. 1 GVG). Daneben sind jedoch eine Reihe von Spezialzuweisungen zu berücksichtigen.
a) Zuständigkeitsstreitwert
Der für die Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit nach den Vorschriften des §§ 2 ff. ZPO zu bemessene Streitwert ist der sog. Zuständigkeitsstreitwert. Die Festsetzung des Zuständigkeitsstreitwerts erfolgt grds. nach freiem Ermessen von dem Gericht in den Urteilsgründen oder durch einen gesonderten Beschluss (§ 3 ZPO). Damit ist jedoch nicht verbunden, dass das Gericht einen beliebigen Betrag bestimmen kann. Der Streitwert wird durch den Streitgegenstand (vgl. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO: Antrag samt Lebenssachverhalt) bestimmt. Entscheidend ist das, was die Partei begehrt und mit ihrem Angriff erreichen will. Daher bestimmt sich der Zuständigkeitsstreitwert nach dem Interesse des Klägers oder Antragstellers, welches anhand des Klageantrags in der Klageschrift oder der Antragsschrift ermittelt wird (§ 253 Abs. 3 Nr. 2 ZPO; s. BVerfG, Urt. v. 22.10.1996 – XI ZR 249/95, NJW 1997, 311, 312; vgl. auch m.w.N. Wendtland in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 47. Aufl. 2022, § 3 ZPO, Rn 1; Bendtsen in: Saenger, ZPO, 9. Aufl. 2021, § 3 ZPO, Rn 2.1).
Hinweis:
Das Vorbringen des Beklagten und sein Interesse an der Abweisung der Klage spielen hierbei keine Rolle. Auch die Erfolgsaussichten der jeweiligen Klage oder des jeweiligen Antrags sind nicht von Bedeutung für die Bestimmung des Zuständigkeitsstreitwerts (vgl. m.w.N. Wendtland, a.a.O., § 3 ZPO, Rn 1; Bendtsen, a.a.O., § 3 ZPO, Rn 2.1).
Handelt es sich um eine Zahlungsklage, entspricht der Zuständigkeitsstreitwert dem geforderten Betrag (auch Schmerzensgeld). Nebenforderungen (wie Zinsen oder Kosten) bleiben gem. § 4 Abs. 1 Hs. 2 ZPO unberücksichtigt. In § 6 ZPO bis § 9 ZPO wird die Bemessung des Zuständigkeitsstreitwerts in Einzelfragen noch einmal konkretisiert. Dabei sind sog. nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten besonders zu betrachten. Die Normen in §§ 2 ff. ZPO sehen zur Bemessung des Streitwerts bei nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten keine gesonderten Regelunge...