1. Trunkenheits- und Drogenfahrten (§ 24a StVG)
Bei der Bestimmung der Atemalkoholkonzentration mit dem Messgerät Dräger Alcotest 9510 handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren. In diesen Fällen reicht es grds. aus, dass das angewandte Messverfahren und das Messergebnis mitgeteilt werden. Darüber hinaus müssen die Urteilsgründe Feststellungen zu etwaigen Beweiserhebungen der Tatzeit und des Tatorts sowie zu dem Umstand, dass die Betroffene an dem angegebenen Ort mit dem angegebenen Pkw gefahren ist, enthalten. Allein die Feststellung, die Betroffene habe ihre „Fahrereigenschaft” eingeräumt, genügt hierfür nicht (OLG Dresden zfs 2022, 713).
2. Bußgeldrechtliches Fahrverbot (§§ 25 StVG, 4 BKatV)
Hinweis:
Zu Rechtsgrundlagen und Systematik des bußgeldrechtlichen Fahrverbots wird verwiesen auf Deutscher in: Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 6. Aufl. 2021, Rn 1509 ff., 1732 ff. Aktuelle Rechtsprechung zum Fahrverbot bei Deutscher, NZV 2023, 97 und VRR 11/2022, 5.
a) Tatbestand des Fahrverbots
Wer auf einer mit rotem Ampellicht gesperrten Abbiegespur die Haltlinie überfährt, hiernach aber nicht abbiegt, sondern in den Kreuzungsbereich ein- und geradeaus weiterfährt, begeht auch dann einen Rotlichtverstoß, wenn für den Geradeausverkehr grünes Wechsellicht leuchtet. Das Fahrverbot ist in diesem Fall auch dann indiziert, wenn feststeht, dass im Zeitpunkt des Einfahrens in die Kreuzung der Querverkehr durch rotes Ampellicht gesperrt war (OLG Brandenburg NZV 2022, 540 [Sandherr]). Ein Augenblicksversagen kann bei einem „Frühstart” oder „Mitzieheffekt” vorliegen. Kein Augenblicksversagen ist anzunehmen, wenn ein ortskundiger Taxifahrer bei Dunkelheit mit unverminderter Geschwindigkeit eine bereits seit Längerem Rotlicht zeigende Lichtzeichenanlage überfährt, weil er diese überhaupt nicht wahrgenommen hat (KG VRR 11/2022, 22 [Deutscher]). Für die Verhängung eines Fahrverbots wegen eines beharrlichen Verstoßes gegen die Pflichten eines Kfz-Führers gem. § 25 Abs. 1 StVG ist eine hinreichend aussagekräftige Darstellung der Vorahndungslage unerlässlich (BayObLG NZV 2023, 88 m. Anm. Krenberger). Die Pflicht zur Bildung einer Rettungsgasse (Regelfahrverbot nach Nrn. 50.1 – 50.3 BKat) greift sofort ein, wenn die in § 11 Abs. 2 StVO beschriebene Verkehrssituation eingetreten ist (OLG Oldenburg DAR 2022, 704 = VRR 1/2023, 23 [Burhoff] = StRR 3/2023, 33 [ders.] = NZV 2023, 139 [Krenberger]).
b) Angemessenheit des Fahrverbots
Das ausnahmsweise Absehen vom Regel-Fahrverbot wegen eines Härtefalls erfordert eine kritische Prüfung der Einlassung und eine auf Tatsachen gestützte Begründung im Urteil (OLG Hamm NZV 2022, 588 [Balschun]). Fahrverbotsrelevante Härten scheiden aus, wenn der Ehegatte der Betroffenen selbst Führerscheininhaber ist und die Betroffene erklärte, bei Bedarf könne er sie fahren. Rentner*innen sind ebenso wie etwa Arbeitslose und Beamt*innen grds. in keiner Weise auf die Existenz einer Fahrerlaubnis zwingend angewiesen (so AG Dortmund VRS 143, 198 = NZV 2023, 140 [Deutscher]; Gendersterne im Original].
c) Ausnahme bestimmter Fahrzeugarten
Nach § 25 Abs. 1 StVG kann das Fahrverbot auf bestimmte Fahrzeugarten beschränkt werden. Maßgebend ist hier grds. die Einteilung der Fahrzeugklassen in § 6 Abs. 1 S. 1 FeV. Eine Differenzierung nach Halter, hier Fahrzeuge der Bundeswehr, ist deshalb unzulässig (OLG Naumburg DAR 2022, 644 m. Anm. Fromm = zfs 2022, 412).
d) Fahrverbot und verwaltungsrechtliche Entziehung der Fahrerlaubnis
Ein Fahrverbot und die Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Fahrerlaubnisbehörde stellen keine „Doppelbestrafung” dar. Die Verhängung eines Fahrverbots ist im Bußgeldverfahren auch dann veranlasst, wenn die Fahrerlaubnis durch die Fahrerlaubnisbehörde entzogen worden ist. Denn die Eintragung eines Fahrverbots im Fahreignungsregister wird im Wiederholungsfall bei künftigen Zumessungserwägungen oder auch für die Frage, ob dem Betroffenen eine viermonatige Schonfrist zu gewähren ist, regelmäßig von Bedeutung sein (OLG Düsseldorf zfs 2023, 169 = VRR 2/2023 [Deutscher]).
e) Isolierte Anfechtung des Fahrverbots
Da Fahrverbot und Geldbuße in einem Wechselwirkungsverhältnis zueinanderstehen, ist eine isolierte Anfechtung des Fahrverbots unwirksam. Der Einspruch gegen einen mit Fahrverbot versehenen Bußgeldbescheid kann umgekehrt auf die Geldbußenhöhe beschränkt werden. Nach einer Beschränkung des Einspruchs auf die Höhe der Geldbuße ist es zulässig und geboten, ein bestehenbleibendes Fahrverbot im tatrichterlichen Urteil klarstellend zu tenorieren (AG Dortmund NZV 2022, 540 [Deutscher]).
3. Geschwindigkeitsverstöße (§ 3 StVO)
a) Standardisiertes Messverfahren
Die langjährige Diskussion zu standardisierten Messverfahren und deren Auswirkungen auf das Bußgeldverfahren ist deutlich ruhiger geworden. Dabei handelt es sich um ein durch Normen vereinheitlichtes technisches Verfahren, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (BGHSt 39, 291 = NJW 1993, 3081, 3083; BGHSt 43, 277 = NJW 1998, 321, 322). Insofern gilt ein Regel-Ausnahme-Verhältnis: Ohne konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler genügt das Gericht mit der Feststellung von Messverfahren und Toleranzabzug seiner Aufklärungs- und Darstellungspflicht (Regelfall). Anderes gilt nur bei ...