Bei einem immer stärker spürbaren Fachkräftemangel wird es wichtig sein, seine bestehenden Ressourcen im Unternehmen zu kennen und effizient einzusetzen. Gerade in einem Zeitalter, in dem die Digitalisierung immer mehr in den Vordergrund tritt, stellt sich die Frage, ob das Prinzip „Jung lernt von Alt” noch so zielführend ist, oder ob das altbekannte und vielfach im Bereich der Vermittlung von Fachwissen gut funktionierende System nicht neu betrachtet und durchlässiger gestaltet werden sollte. „Reverse Mentoring” dreht das bekannte Prinzip um: Die Älteren und/oder hierarchisch höhergestellten Kollegen lernen von den Jüngeren. Der Begriff „lebenslanges Lernen” sollte in der Kanzlei im Vordergrund stehen und von allen mitgetragen werden. Dabei ist es zunächst unerheblich, wer am Ende von wem lernt. Wird dieser Gedanke von allen Kanzleimitgliedern positiv mitgetragen, kommt es dementsprechend nicht auf das Alter des jeweils Vermittelnden oder seinem hierarchischen Platz in der Kanzlei an.
Und warum ist das für den immer digitaler werdenden Kanzleialltag so wichtig? Ganz einfach, weil sich fachliche und digitale Themen immer stärker miteinander verweben. Ein regelmäßiger und gut organisierter Austausch über in der Kanzlei anstehende Themen – wie z.B. den Einsatz von verschiedenen Softwareprogrammen, aber auch über altbewährte Themen (wie z.B. die effiziente Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen) – führt dabei zu einem verstärkten Wissens- und Erfahrungsaustausch und überbrückt zugleich Generations- und Hierarchiegrenzen. Im Austausch über die Sachthemen werden Hemmschwellen zwischen den Generationen leichter abgebaut und im besten Fall wird die gegenseitige Wertschätzung und Akzeptanz erhöht. Neben dem Lernprozess über die Sachthemen profitiert die ältere Generation von neuen, oft digitaleren Ideen der Jüngeren und die Jüngeren profitieren von den fundierten Erfahrungen der „Alteingesessenen”. Dies klingt alles sehr harmonisch und sinnvoll. Doch im realen Leben funktioniert das leider nicht immer so reibungslos. So gilt es, bestehenden Vorurteilen und Ängsten vor Autoritätsverlusten vorzubeugen. Das Thema „interne Wissensvermittlung über Hierarchie- und Generationsgrenzen hinweg” sollte offen und transparent im Kanzleiteam angesprochen und der Nutzen für das gesamte Team herausgearbeitet werden. Offenheit und die Lernbereitschaft für Neues und oftmals Unbekanntes sollte auf allen Ebenen vorhanden sein. Das ist die Grundvoraussetzung, damit das Projekt gelingen kann. Dabei sollte die Kanzleiführung und die mittlere Leitungsebene (also Kanzleimanager/Bürovorstehende) mit gutem Beispiel als Vorbilder vorangehen und dem generationsübergreifenden Wissenstransfer offen gegenüberstehen.
Wie erfolgt die Umsetzung im Kanzleialltag nun konkret? Zunächst sollte dem Thema ein klar definierter Platz zugewiesen werden, um einen wiederkehrenden Austausch zu ermöglichen. Dafür bietet sich – je nach Organisationsstruktur – die wöchentlich/monatlich/quartalsmäßig stattfindende Bürobesprechung an. Die zu besprechenden Themen sollten vorab allen Teilnehmenden über eine digital gespeicherte Tagesordnung bekannt sein. Die mit dem Thema betrauten Kanzleimitglieder können dann in der Besprechung das Thema vorstellen und sich im Anschluss den Fragen und Hinweisen aus der Zuhörerschaft stellen. Dabei steht der Grundsatz „Es gibt keine dummen Fragen” felsenfest im Raum. Es gibt also keine verdrehten Augen oder hochgezogene Augenbrauen. Jeder kann und soll wertfrei seine Fragen stellen können. Bei der Themenauswahl sollte besser kleinteilig vorgegangen werden, also z.B. aus dem großen Thema „Einsatz der vorhandenen Software” sollte ein Einzelthema (wie z.B. die Adressanlage) ausgewählt werden, um hier den Best-Practice-Weg zu besprechen und im Anschluss für das gesamte Kanzleiteam festzulegen. Über das festgelegte Ergebnis sollte ein Protokoll erstellt und dieses zur besseren Nachvollziehbarkeit ggf. mittels Screenshots unterlegt werden. So ist gewährleistet, dass auch im Nachhinein der festgelegte Weg fehlerfrei und v.a. einheitlich beschritten werden kann. Mittelfristig steigert dies z.B. die einheitliche Nutzung der Software, damit auch die Qualität in der täglichen Arbeit und spart am Ende auch noch Zeit. Damit gibt es also mind. schon einmal drei gute Gründe, um sich als Kanzlei diesem Thema anzunehmen.
Feedback ist wichtig! Gerade im generations- und hierarchieübergreifenden Austausch ist es wichtig, immer wieder zu evaluieren, ob der angedachte Weg auch zum gewünschten Erfolg führt und sich das Kanzleiteam in einem guten und wertschätzenden Austausch befindet. Dies kann je nach Einschätzung in großer Runde, z.B. quartalsmäßig im Anschluss an die Bürobesprechung, oder bei Bedarf in Einzelgesprächen stattfinden. Die Kanzleiführung bzw. die mittlere Leitungsebene sollte insb. beim Start im engen Austausch mit den Mitarbeitenden stehen, um Missstände bzw. Fehlentwicklungen schnellstmöglich aufzudecken und entgegenzuwirken.
Fazit: Ei...