I. Einleitung
Der Wert der Sache, spezifisch des Kraftfahrzeugs, begegnet den Rechtsanwendern gleich in mehreren Normen als Problem des materiellen und des prozessualen Strafrechts. Manche Fallgestaltungen sind diesbezüglich offensichtlich mit einer Verknüpfung zwischen dem Wert des Kraftfahrzeugs und dem Tatbestand der Norm versehen, andere Normen haben hinsichtlich des Werts des Kraftfahrzeugs eher eine nachrangige Bedeutung. Der nachfolgende Beitrag möchte etliche der relevanten Normen und – sofern vorhanden – die zugehörigen Streitfragen aufzeigen.
II. Diebstahl und Unterschlagung
1. Grundtatbestand
Ein Kraftfahrzeug kann Objekt eines Diebstahlsdelikts (§ 242 StGB) oder einer Unterschlagung (§ 246 StGB) sein. In beiden Normen ist Tatobjekt eine „fremde bewegliche Sache” für den Grundtatbestand. Eine Sache im Sinne dieser Normen ist ein körperlicher Gegenstand (BeckOK StGB/Wittig, § 242 Rn 4). Zwar ist der strafrechtliche Sachbegriff eigenständig zu bestimmen und damit unabhängig vom Zivilrecht (RG, Urt. v. 1.5.1899 – Rep. 739/99, RGSt, 32, 165, 179), aber für das Kraftfahrzeug bestehen hier keine Divergenzen. Forderungen und Rechte stellen mangels Verkörperung allerdings keine Sachen dar (Matt/Renzikowski/Schmidt, § 242 StGB Rn 4), sodass ein mit dem Besitz am Fahrzeug einhergehender Ersatzanspruch gegen einen Schädiger nicht durch einen Dieb weggenommen werden könnte. Gleiches gilt für gespeicherte Fahrzeugdaten, sollte es dem Dieb auf diese angekommen sein (Kudlich, in: Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts Bd. 5, § 29 Rn 16). Als Datenträger käme das Kraftfahrzeug wiederum als taugliches Diebstahlsobjekt in Betracht (vgl. Fischer, § 242 StGB Rn 3). Der Wert des Kraftfahrzeugs spielt für den Grundtatbestand jedoch erst einmal keine Rolle (vgl. schon RG, Urt. v. 27.6.1917 – V 430/17, RGSt 51, 97–101; BGH, Urt. v. 10.5.1960 – 5 StR 129/60, MDR 1960, 689).
Im Gegensatz zum Sachbegriff ist der Begriff der Fremdheit streng akzessorisch zum Zivilrecht (BGH, Urt. v. 7.5.1953 – 3 StR 485/52, NJW 1954, 1292; BGH, Beschl. v. 29.2.2000 – 1 StR 46/00, NStZ-RR 2000, 234). Die Sache bleibt für den Täter jedoch auch dann fremd, wenn zivilrechtlich eine Aktivlegitimation noch fehlen würde, dem Geschädigten nach dem Abstraktionsprinzip jedoch ein Eigentumsverschaffungsanspruch zustünde (Beck-OK StGB/Wittig, § 242 Rn 7).
2. Besonders schwerer Fall
a) Geringwertige Sache
Der Wert der Sache und damit auch der des Kraftfahrzeugs kann dann von Bedeutung sein, wenn es um den besonders schweren Fall des Diebstahls geht (§ 243 StGB). Dort kann es sich nach § 243 Abs. 2 StGB zunächst einmal um eine geringwertige Sache handeln, was die Annahme eines besonders schweren Falles ausschließen würde. Die Geringwertigkeitsklausel gelangt dabei nur zur Anwendung, wenn es sich bei dem Diebstahlsobjekt um eine objektiv und subjektiv geringwertige Sache handelt (OLG Hamm, Beschl. v. 23.2.2016 – 4 RVs 15/16, BeckRS 2016, 05563). Dass der bei einem Diebstahl entwendete Gegenstand tatsächlich geringwertig i.S.v. § 243 Abs. 2 StGB war, schließt deshalb die Anwendung von § 243 Abs. 1 StGB noch nicht aus. Dieser kann vielmehr auch dann Anwendung finden, wenn sich der Vorsatz des Täters auf nicht geringwertige Sachen bezog (Fischer, § 243 StGB Rn 26). Der Grenzwert für die Geringwertigkeit liegt nach der Rechtsprechung des BGH bei 25 EUR (BGH, Beschl. v. 9.7.2004 – 2 StR 176/04, BeckRS 2004, 07428; OLG Hamm, Beschl. v. 4.6.2020 – 4 RVs 64/20, BeckRS 2020, 13351). Andere Gerichte befürworten die Grenzziehung erst bei 50 EUR (OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.10.2016 – 1 Ss 80/16, NStZ-RR 2017, 12; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 18.1.2000 – 1 Ss 266/99, NStZ 2000, 536). Entscheidend ist dabei ihr Verkehrswert zum Zeitpunkt der Tat (BGH, Beschl. v. 29.10.1980 – 4 StR 534/80, NStZ 1981, 62, 63). Als Tatobjekt, das die Geringwertigkeitsschwelle tangieren könnte, kommt demnach ein Kraftfahrzeug in Betracht, das nach sachverständiger Ansicht als Restwert nur noch Schrottwert hat (BeckOK StVR/Türpe, § 249 BGB Rn 14–16b). Angesichts der Dominanz von internetbasierten Aufkäufern von Gebrauchtwagen und eines fehlenden Regionalbezugs dürfte nur in seltenen Fällen der Diebstahl eines unfallbedingt schrottreifen Fahrzeugs unter die Geringwertigkeitsklausel fallen.
b) Unbenannter schwerer Fall
Interessanter könnte hingegen eher die Fallgestaltung sein, dass ein sog. unbenannter schwerer Fall zur Anwendung von § 243 StGB führt. Dass eine nicht von den Regelbeispielen erfasste Konstellation auch zur Annahme eines besonders schweren Falles führen kann, ist durch die Formulierung der Norm vorgesehen und auch generell anerkannt (BGH, Urt. v. 21.4.1970 – 1 StR 45/70, BGHSt 23, 254, 257 = NJW 1970, 1196): Die als Regelbeispiel konzipierte Vorschrift ist nicht abschließend, sodass ein besonders schwerer Fall auch dann in Betracht kommt, wenn Umstände vorliegen, die zwar keines der genannten Regelbeispiele erfüllen, mit einem solchen jedoch vergleichbar sind (Matt/Renzikowski/Schmidt, § 243 StGB Rn 18). Für die Annahme eines solchen Falles kommt es darauf an, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subj...