Nach § 84 Abs. 1 S. 1 SGG in der seit dem 1.1.2018 maßgeblichen Fassung ist ein Widerspruch binnen eines Monats nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekannt gegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 36a Abs. 2 SGB I oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Aus § 84 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 66 Abs. 1 SGG folgt, dass die Widerspruchsfrist nur dann zu laufen beginnt, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung eines Rechtsbehelfs innerhalb eines Jahres seit Zustellung zulässig, § 66 Abs. 2 S. 1 SGG.
Der Entscheidung des BSG v. 28.9.2023 – B 7 AS 10/22 R lag als Sachverhalt zugrunde: Dem Kläger war Arbeitslosengeld II bewilligt worden. Nachdem er eine Arbeit aufgenommen hatte, hob der Beklagte den ursprünglichen Bewilligungsbescheid teilweise auf und forderte überzahlte Leistungen zurück (Bescheide vom 8.2.2018, die wenige Tage später zugestellt wurden). Die Rechtsmittelbelehrung verwies auf die Möglichkeit, dagegen schriftlich oder zur Niederschrift Widerspruch einzulegen. Die am 27.12.2018 erhobenen Widersprüche verwarf der Beklagte wegen Verfristung als unzulässig. Die dagegen erhobenen Klagen waren in den Vorinstanzen ohne Erfolg. Die Bescheide seien bestandskräftig. Für den Widerspruch gelte nicht die verlängerte Frist von einem Jahr, es liege weder eine unvollständige noch eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung vor. Zwar gehört seit 1.1.2018 zu einer vollständigen Belehrung über die Form des Rechtsbehelfs auch der Hinweis auf die Möglichkeit der elektronischen Einlegung, § 84 Abs. 1 S. 1 SGG. Da der Beklagte den entsprechenden Zugang bis zum 17.8.2018 noch nicht eröffnet hatte, sei der fehlende Hinweis auf die Möglichkeit der elektronischen Einlegung unschädlich.
Die vom LSG zugelassene Revision des Klägers war i.S.d. Aufhebung und Zurückverweisung begründet. Das BSG zählt zu dem Mindestinhalt einer Rechtsmittelbelehrung über den Wortlaut des § 66 Abs. 1 SGG hinaus nach Sinn und Zweck der Regelung auch eine Belehrung über die bei Einlegung eines Rechtsbehelfs zu beachtenden Formvorschriften. Über die Möglichkeit, Widerspruch auch in elektronischer Form einlegen zu können, hat der Beklagte nicht belehrt, obwohl § 84 Abs. 1 SGG die elektronische Form des Rechtsbehelfs als eigenständige Form neben der Schriftform und der Einlegung zur Niederschrift aufführt. Das BSG sieht es als rechtlich bedeutungslos an, ob der Beklagte im damaligen Zeitpunkt tatsächlich in der Lage war, i.S.d. § 36a Abs. 2 SGB I elektronisch eingelegte Widersprüche zu bearbeiten oder nicht. Ferner lässt es das Gericht dahingestellt, ob eine Verpflichtung zur Schaffung eines elektronischen Zugangs bereits nach Maßgabe des § 84 Abs. 1 SGG oder Landesrecht spätestens zum 1.1.2018 bestanden hätte. Entscheidend wird darauf abgestellt, dass der Beklagte mit der Angabe einer E-Mail-Adresse auf dem Kopfbogen des angefochtenen Bescheids den für die Ermittlung eines elektronischen Dokuments erforderlichen Zugang i.S.d. § 36a Abs. 1 SGG I zumindest konkludent eröffnet. Hinweise darauf, dass dies nicht auch für die Einlegung von Widersprüchen gelten soll, enthält der Bescheid nicht.