Werden öffentliche Aufträge oder Konzessionen vergeben, muss grds. ein Vergabeverfahren nach den §§ 97 ff. GWB durchgeführt werden. Dies gilt auch für Sozialleistungsträger. Das BSG hatte in seinem Urt. v. 17.5.2023 – B 8 SO 12/22 R zu klären, ob ein Vergabeverfahren im Anwendungsbereich des sog. sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses erfolgen muss oder darf. Dem Urteil kommt grundlegende Bedeutung für das Leistungserbringungsrecht zu (s. ferner die Anmerkung von Eicher, jurisPR-SozR 22/2023, Anm. 4).
Die Beklagte hatte in Abweichung von ihrer früheren Praxis im Jahr 2016 den „Einsatz von Integrationshelfern an Düsseldorfer Schulen für Kinder mit Behinderungen im Rahmen der Eingliederungshilfe” im Vergabeverfahren ausgeschrieben. Die Kläger, die davor entsprechende Leistungen erbracht hatten, gaben kein Gebot ab. Den Zuschlag erhielten eine Stiftung und eine Initiative. Diese erbrachten in der Folge nahezu ausschließlich die Leistungen der Schulbegleitung i.R.d. Eingliederungshilfe. Der im Jahre 2019 von den Klägern beim Sozialgericht gestellte Antrag, die Durchführung des Vergabeverfahrens durch einstweilige Anordnung zu untersagen, blieb ohne Erfolg. Das SG hat auch im Hauptsacheverfahren die Klage abgewiesen. Die Berufung war dagegen erfolgreich. Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung der §§ 55, 131 SGG und der §§ 97 ff. GWB.
Das BSG entschied, dass die Revision der Beklagten unbegründet ist.
Zu klären war zunächst, ob der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet war. Dies bejahte das BSG. Gegenstand des Verfahrens sei, ob die Kläger einen Anspruch auf Unterlassung des Vergabeverfahrens bei Leistungen der Eingliederungshilfe haben. Hierbei handle es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Diese sei auf der Grundlage der §§ 75 ff. SGB XII bzw. ab dem 1.1.2018 der §§ 123 ff. SGB IX zu entscheiden. Es handele sich damit um eine Rechtsstreitigkeit, die durch § 51 Abs. 1 Nr. 6 SGG den Sozialgerichten zugewiesen ist. Da es in der vom BSG zu entscheidenden Rechtsstreitigkeit um die dem Vergabeverfahren vorgelagerte Frage ging, ob dieses überhaupt durchzuführen ist, war nicht § 156 Abs. 2 GWB anzuwenden. Diese Vorschrift weist Verfahren zu vergaberechtlichen Entscheidungen den Vergabegerichten zu. Im Übrigen hatte die Beklagte die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht gerügt. Die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klage waren erfüllt.
Anspruchsgrundlage ist der allgemeine öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch. Dieser entsteht, wenn durch rechtswidriges schlicht-hoheitliches Verwaltungshandeln ein subjektives Recht verletzt wird (so etwa BSG 1.6.2022 – B 3 KR 5/21 R, BSGE 134, 167 Rn 10). Solches rechtswidriges schlicht-hoheitliches Handeln lag nach den Feststellungen des BSG bei der Vergabe der Schulbegleitung als Leistung der Eingliederungshilfe vor.
Die Richtlinie 2014/23/EU (Abl EU L 94 v. 28.3.2014, 1) und die Richtlinie 2014/24/EU (Abl EU L 94 v. 28.3.2014, 1) sowie die diese Richtlinien umsetzenden §§ 97 ff. GWB verlangen die Durchführung des Vergabeverfahrens bei der Vergabe von Aufträgen und von Konzessionen nur, wenn der öffentliche Träger eine Auswahl trifft. Das Verfahren ist nicht durchzuführen, wenn der öffentliche Auftraggeber kein Kriterium nennt, „das dazu dient, die zulässigen Angebote zu vergleichen und zu ordnen” (EuGH 1.3.2018 – C 9/17 – ABl EU 2018 C142, 12). Ob eine Auswahlentscheidung getroffen wird, ist bei den i.R.d. sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses zu erbringenden Leistungen im Einzelfall zu beurteilen.
Bei den Leistungen der Eingliederungshilfe ist dies nicht der Fall. Sowohl nach den §§ 75 ff. SGB XII als auch nach den §§ 123 ff. SGB IX muss der Sozialhilfe- bzw. der Eingliederungshilfeträger mit geeigneten Leistungserbringern eine Leistungs- und eine Vergütungsvereinbarung schließen. Ob ein Leistungserbringer geeignet ist, ist nach den Kriterien der Leistungsfähigkeit, der Sparsamkeit und der Wirtschaftlichkeit zu beurteilen. Der Abschluss der Vereinbarung mit Leistungserbringern, die diese Kriterien erfüllen, darf insb. nicht mit dem Argument abgelehnt werden, dass kein Bedarf bestehe oder andere Anbieter günstiger seien (Rn 18 der Gründe). Bei der Vereinbarung findet deshalb keine Auswahlentscheidung statt.
Hinweis:
Der Abschluss der Leistungsvereinbarung verschafft den Leistungserbringern lediglich den Zugang zum Finanzierungssystem des Sozialhilfe- bzw. des Eingliederungshilfeträgers. Mit dem Abschluss dieser Vereinbarungen wird dagegen keine Entscheidung darüber getroffen, ob der Leistungserbringer in einem konkreten Einzelfall eine von diesen Trägern finanzierte Leistung erbringt. Dies erfolgt erst in einer nachgelagerten Entscheidung, nachdem die leistungsberechtigte Person im Rahmen ihres Wunschrechtes einem bestimmten Leistungserbringer gewählt hat. Der von der leistungsberechtigten Person gewünschte Leistungserbringer darf nur abgelehnt werden, wenn die Voraussetzungen von § 104 Abs. 2, 3 SGB IX bzw. § 9 Abs. 2 SGB XII erfüllt sind.
Das BSG g...