Hinweis:
Die besprochenen Entscheidungen 1–3 sind noch zum Arbeitslosengeld II ergangen. Die Ausführungen gelten weitestgehend für das seit dem 1.1.2023 an die Stelle des Arbeitslosengeld II getretene Bürgergeld entsprechend. Soweit durch das Bürgergeldgesetz Änderungen herbeigeführt wurden, werden diese in Hinweisen erläutert.
1. Begrenzung des Beitragszuschusses des Jobcenters zur privaten Krankenversicherung
Nach § 26 Abs. 1 S. 1 SGB II erhielten privat krankenversicherte Bezieher von Arbeitslosengeld II, die mit einem der Versicherungspflicht nach § 193 Abs. 3 VVG genügenden Versicherungsvertrag bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert waren, für die Dauer des Leistungsbezugs nach dem SGB II einen Zuschuss zu den Beiträgen zu dieser Krankenversicherung in Höhe der Hälfte des in der privaten Krankenversicherung geltenden Basistarifs (Entsprechendes gilt seit dem 1.1.2023 für das Bürgergeld). Das BSG hatte in seinem Urt. v. 6.6.2023 (B 4 AS 5/22 R) zu entscheiden, ob das Jobcenter einen höheren Beitragszuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung leisten muss, wenn die leistungsberechtigte Person nicht zum Basistarif, sondern „regulär” privat versichert ist (s. ferner die Anm. von Fischer, NZS 2024, 67; Sieper, jurisPR-SozR 21/2023, Anm. 1).
Der Kläger hatte vom 1.9.2017 bis 28.2.2018 Arbeitslosengeld II bezogen. Er war privat kranken- und pflegeversichert. Diese Versicherung erfolgte nicht im Rahmen des Basistarifs. Sein monatlicher Beitrag betrug 484,47 EUR. Der Beklagte gewährte allerdings nur einen Zuschuss i.H.v. 191,84 EUR. Dies entsprach der Hälfte des damals geltenden Basistarifs. Klage und Berufung blieben ohne Erfolg. Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 21 Abs. 6 SGB II.
Zunächst prüfte das BSG, ob nach § 26 Abs. 1 SGB II ein höherer Zuschuss zu leisten ist, was es aber verneinte. Der Zuschuss zur privaten Krankenversicherung nach § 26 Abs. 1 S. 1 SGB II sei nur in Höhe der Hälfte des Basistarifs zu zahlen. Dies folge daraus, dass im Wortlaut der Norm auf § 152 Abs. 4 VAG verwiesen werde.
Hinweis:
Die privaten, eine substitutive Krankenversicherung betreibenden Krankenversicherungsunternehmen mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland, haben nach § 152 Abs. 1 S. 1 VAG einen branchenweit einheitlichen Basistarif mit der gesetzlichen Krankenversicherung in Art, Umfang und Höhe jeweils vergleichbare Leistungen anzubieten. Der Beitrag ohne Selbstbehalt ist begrenzt auf den Höchstbeitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung, § 152 Abs. 4 S. 1 VAG. Während Zeiten der Hilfebedürftigkeit i.S.d. SGB II oder des SGB XII ist der Beitrag auf die Hälfte vermindert, § 152 Abs. 4 S. 1 SGB II. Da für die andere Hälfte des Beitrags der SGB II-Leistungsträger bzw. der Sozialhilfeträger einen Zuschuss leistet, müssen die Versicherten keine eigenen Beiträge zahlen.
Bei nicht zum Basistarif in der privaten Krankenversicherung Versicherten stellt das BSG auf den Beitrag ab, den sie ihrem Versicherungsunternehmen hätten zahlen müssen, wenn sie zum Basistarif versichert wären (Rn 18 der Gründe; ebenso die h.L., etwa BeckOGK/Rolfs, SGB II, § 26 Rn 48). Nicht maßgeblich ist nach den Ausführungen des BSG der in § 152 Abs. 3 VAG geregelte für die privaten Krankenversicherungsunternehmen geltende Höchstbeitrag für den Basistarif, sondern der von der leistungsberechtigten Person individuell zu leistende Beitrag (Rn 19 der Gründe unter Hinweis auf die Gesetzgebungsmaterialien in BT-Drucks 18/8041, S. 43).
Angesichts eines fehlenden Hinweises im Gesetzeswortlaut musste der Bezuschussung nur eines Teiles des Krankenversicherungsbeitrages des Klägers kein Kostensenkungsverfahren vorausgehen. Ob der Kläger vorab hätte beraten werden müssen – der Gesetzeswortlaut enthält keine Hinweise hierfür – ließ das BSG offen, weil er vor Beginn des streitbefangenen Zeitraums darauf hingewiesen wurde, dass der Beitragszuschuss nur in Höhe der Hälfte des Basistarifs geleistet wird (Rn 21 der Gründe).
Die Zumutbarkeit des Wechsels in den Basistarif musste der Beklagte nicht prüfen. Dieses Ergebnis stützt das BSG einerseits auf den Gesetzeswortlaut, der keinen diesbezüglichen Vorbehalt enthält, und andererseits auf den Umkehrschluss aus einer Änderung von § 204 VVG im Jahr 2020.
Hinweis:
Durch Art. 6 Nr. 1 des Zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19.5.2020 (BGBl I, S. 1018) wurde Leistungsberechtigten, die wegen Hilfebedürftigkeit in den Basistarif wechseln, das Recht eingeräumt, zu dem vor dem Wechsel bestehenden Tarif ihren bisherigen Versicherungsvertrag fortzusetzen, wenn ihre Hilfebedürftigkeit spätestens nach zwei Jahren endet und die Betroffenen innerhalb von drei Monaten nach Beendigung der Hilfebedürftigkeit die Rückkehr in den bisherigen Tarif vom Versicherer in Textform verlangen. In der Gesetzesbegründung brachte der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass der Zuschuss in Höhe der Hälfte des Basistarifs nicht von einem Wechsel in diesen abhängig sei. Die Begrenzung auf die Hälfte des Basistarifs bestünde auch dann, wenn der bisher...