Im Streit stand der Anspruch auf Arbeitslosengeld (ALG) des 1959 geborenen Klägers. Dieser war bis zum 30.6.2008 versicherungspflichtig beschäftigt und bezog vom 1.8.2008 bis zum 30.6.2009 Arbeitslosengeld von der Beklagten. Seit 2006 pflegte er seine Mutter, die ab August 2006 Pflegegeld nach der damaligen Pflegestufe I, ab Oktober 2008 nach der Pflegestufe II, ab Januar 2017 nach dem Pflegegrad 4 erhielt. Die Pflege erfolgte in nicht erwerbsmäßiger Weise in häuslicher Umgebung, wenigstens zehn Stunden wöchentlich, verteilt auf mindestens zwei Tage pro Woche. Die Pflegekasse entrichtete seit Oktober 2008 Rentenversicherungsbeiträge für den Kläger als Pflegeperson. Nach dem Tod seiner Mutter am 27.10.2019 meldete sich der Kläger am 4.11.2019 persönlich arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Die Pflegekasse gab auf Nachfrage an, für den Kläger keine Beiträge an die Arbeitslosenversicherung gezahlt zu haben.
Die gegen die ablehnenden Bescheide der Agentur für Arbeit erhobene Klage war vor dem SG erfolgreich. Das Urteil wurde vom LSG im Berufungsverfahren aufgehoben. Die zulässige Revision des Klägers war begründet, da ein Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld besteht (BSG 6.6.2023 – B 11 AL1/22 R).
Nach § 137 Abs. 1 SGB III hat Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, wer arbeitslos ist (Nr. 1, s. hierzu § 138 SGB III), sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet (Nr. 2, s. hierzu § 141 SGB III) und die Anwartschaftszeit erfüllt hat (Nr. 3). Letzteres ist nach § 142 Abs. 1 S. 1 SGB III der Fall, wenn in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate ein Versicherungspflichtverhältnis (nach § 24 Abs. 1 SGB III im Rahmen einer Beschäftigung oder Versicherungspflicht aus sonstigen Gründen) bestanden hat. Die Rahmenfrist betrug in der hier anzuwendenden Fassung des § 143 SGB III bis zum 31.12.2019 zwei Jahre (seit dem 1.1.2020: 30 Monate) und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Aufgrund der Pflege seiner Mutter stand der Kläger in der vom 4.11.2017 bis zum 3.11.2019 verlaufenden zweijährigen Rahmenfrist mehr als zwölf Monate – durchgehend bis zum Tod seiner Mutter am 27.10.2019 – in einem Versicherungspflichtverhältnis, wobei es für den Anspruch auf Arbeitslosengeld unerheblich ist, dass keine Beiträge für ihn entrichtet worden sind (s. bereits BSG 18.4.1991 – 7 Rar 32/90). Nach § 26 Abs. 2b S. 1 SGB III (in der ab dem 1.1.2017 geltenden Fassung) sind Personen in der Zeit versicherungspflichtig,
- in der sie als Pflegepersonen einen Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 i.S.d. SGB XI, der Leistungen aus der Pflegeversicherung nach dem SGB XI oder Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII oder gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften bezieht,
- nicht erwerbsmäßig wenigstens zehn Stunden wöchentlich, verteilt auf regelmäßig mindestens zwei Tage in der Woche, in seiner häuslichen Umgebung pflegen,
- wenn sie unmittelbar vor Beginn der Pflegetätigkeit versicherungspflichtig waren oder Anspruch auf eine laufende Entgeltersatzleistung nach dem SGB III hatten.
Diese Tatbestandsvoraussetzungen erfüllte der Kläger ab dem Inkrafttreten der Neufassung am 1.1.2017. Unmittelbar vor Beginn der bereits im Jahre 2006 aufgenommenen Pflegetätigkeit war er versicherungspflichtig aufgrund einer Beschäftigung. Entgegen der Auffassung des LSG ist die Neufassung des § 26 Abs. 2b S. 1 SGB III nicht auf Pflegetätigkeiten beschränkt, die frühestens zum 1.1.2017 aufgenommen worden sind, sondern grds. auch auf Pflegetätigkeiten anwendbar, die bereits vor dem 1.1.2017 begonnen haben. Diese, jedenfalls bisher in der Kommentarlit. nicht geteilte, Auffassung (Nachweise in Rn 18 der Gründe) legt das Gericht im Einzelnen in Rn 19 ff. dar. Der Senat versteht das Tatbestandsmerkmal „vor Beginn der Pflegetätigkeit” in § 26 Abs. 2b SGB III so, dass es sich auf den Beginn der Pflegetätigkeit als solche bezieht, nicht aber auf eine Pflegetätigkeit, die den Voraussetzungen gerade des § 26 Abs. 2b SGB III entspricht (Rn 26 des Urt.).