In den Berichtsjahren 2013 und 2014 war dieser Bereich das Schwerpunktthema. Das beruhte zum einen auf der wieder aufgeflammten Diskussion um die Rechtsfigur des standardisierten Messverfahrens speziell mit Blick auf die umstrittenen Messverfahren Poliscan Speed und ESO ES 3.0, zum anderen auf Fragen um die Einsichtnahme in die Bedienungsanleitung des Messgeräts durch die Verteidigung zur Prüfung der Richtigkeit der Messung. In diesem Berichtszeitraum ist die Anzahl einschlägiger Entscheidungen deutlich gesunken, zumal sich die Obergerichte durch juristische und technische Einwände von Tatgerichten und Sachverständigen nicht beeindruckt gezeigt haben.
a) Ein standardisiertes Messverfahren ist ein durch Normen vereinheitlichtes technisches Verfahren, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (BGHSt 39, 291 = NJW 1993, 3081, 3083; BGHSt 43, 277 = NJW 1998, 321, 322; Geißler DAR 2014, 717). Bei seiner Verwendung greift ein Regel-Ausnahme-Verhältnis ein: Ohne konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler genügt das Gericht mit der Feststellung von Messverfahren und Toleranzabzug seiner Aufklärungs- und Darstellungspflicht (Regelfall). Anderes gilt nur bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für einen Messfehler (Ausnahme), wofür es in aller Regel konkreter, einer Beweiserhebung zugänglicher Einwände des Betroffenen bedarf.
aa) Trotz erheblicher Bedenken einiger Tatgerichte und Sachverständiger halten die Obergerichte durchgehend daran fest, die Verwendung des Lasermessgeräts Poliscan Speed als standardisierte Messverfahren anzusehen, woran angesichts der Zulassung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) auch der Umstand nichts ändern soll, dass ein Sachverständiger mangels Zugangs zu patent- und urheberrechtlich geschützten Herstellerinformationen die genaue Funktionsweise des Geräts anhand hierfür relevanter Daten der Messwertermittlung nicht im Einzelnen nachvollziehen kann ("Black Box", OLG Karlsruhe NZV 2015, 150 [Ls.] = VRS 127, 241; OLG Düsseldorf VRR 2014, 392 [Burhoff]). Das OLG Frankfurt/M. (DAR 2015, 149 m. Anm. Deutscher) geht noch einen Schritt weiter und sieht auch nicht von der Zulassung durch die PTB gedeckte Kombinationen von Geräte- und Auswertungssoftware als standardisiertes Messverfahren an (abl. Deutscher a.a.O.). Beim sog. Smear-Effekt – Lichtspuren (helle Streifen) im Bild bei digitalen Kameras, die bei besonders hellen Lichtquellen im Bildbereich auftreten – soll allerdings zwar eine verlässliche Geschwindigkeitsmessung möglich sein, aber kein standardisiertes Verfahren vorliegen (OLG Karlsruhe NZV 2015, 148 = DAR 2014, 598 = VRR 2014, 394 [Burhoff]).
Hinweis:
Kritisch aus sachverständiger Sicht Bladt DAR 2014, 604; Grün/Grün VRR 2014, 369; Schäfer/Grün/Grün/Grün VRR 2014, 377; die Rolle der PTB im Zulassungsverfahren beleuchtet kritisch Wietschorke DAR 2014, 722.
bb) Eine Vielzahl von Leerfotos mit Leerdatensätzen bei einem standardisierten Messverfahren (hier wohl Multanova VR 6F) zwingt das Gericht nicht als solches zur weiteren Aufklärung einer fehlerhaften Arbeitsweise des Messgeräts (OLG Hamm NZV 2015, 98 = VRR 2014, 394 [Burhoff]).
cc) Kann das Gericht auch nach einer Beweisaufnahme nicht klären, ob der Test der Visiereinrichtung des Lasermessgeräts Riegl LR 90–235/P vor einer Messung wie im Messprotokoll angegeben nur in einer Entfernung von 10 m stattgefunden hat, so ist nicht mehr von einer hinreichenden Zuordnungssicherheit auszugehen, wenn die Geschwindigkeit in einer Entfernung von 268 m gemessen wurde (AG Lüdinghausen DAR 2014, 600).
dd) Die Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren mit ungeeichtem Tachometer ist kein standardisiertes Messverfahren. Der Tatrichter muss daher grundsätzlich mitteilen, wie lang die Messstrecke und wie groß der Verfolgungsabstand war. Bei Dunkelheit sind i.d.R. Darlegungen zu den Sichtverhältnissen erforderlich. Die von der Rechtsprechung entwickelten Richtwerte für die Messstrecke und den Verfolgungsabstand sind nicht starr anzuwenden. Abweichungen und Unklarheiten können durch weitere Feststellungen kompensiert werden (KG DAR 2015, 99).
Hinweis:
Zur Annahme eines Beweisverwertungsverbots, wenn die Geschwindigkeitsmessung erlasswidrig von einer Privatfirma durchgeführt wird s. AG Gelnhausen NZV 2015, 46. Zur Verlesung des Messprotokolls nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO, § 78 OWiG OLG Hamm NZV 2015, 47 (Ls.) = zfs 2014, 651 m. Anm. Krenberger = VRR 2014, 477 (Deutscher).
b) Wird einem Betroffenen vom Tatrichter die Einsicht in die Bedienungsanleitung eines Geschwindigkeitsmessgeräts versagt, ist im Rechtsbeschwerdeverfahren regelmäßig vorzutragen, welche Tatsachen sich aus der Bedienungsanleitung hätten ableiten lassen und welche Konsequenzen sich für die Verteidigung hieraus ergeben hätten. Sofern eine konkrete Benennung dieser Tatsachen mangels Zugriffs auf die Bedienungsanleitung nicht möglich ist, muss sich der Rechtsbeschwerdebegründun...