1. "EU-Führerscheintourismus" (zugleich Fahren ohne Fahrerlaubnis, § 21 StVG)
a) Die langjährigen Auseinandersetzungen um den "EU-Führerscheintourismus" und seine Auswirkungen in der deutschen (Straf-)Rechtsordnung beruhigen sich zusehends (zu den rechtlichen Grundlagen und der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH s. die früheren Berichte, zuletzt Deutscher ZAP F. 9 R, S. 384; Blum NZV 2014, 557; Koehl NZV 2015, 7; Zwerger DAR 2014, 636).
b) Die in einem anderen EU-Mitgliedstaat im Wege des Umtauschs einer entzogenen deutschen Fahrerlaubnis erlangte Fahrerlaubnis vermittelt keine Fahrberechtigung im Bundesgebiet (VGH Mannheim NJW 2014, 3739 = NZV 2014, 596).
c) Die in einem anderen EU-Staat erworbene Fahrerlaubnis berechtigt nicht zur Nutzung im Inland, wenn der Betroffene ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellermitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen bei Erteilung der EU-Fahrerlaubnis seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hatte (§ 28 Abs. 4 S. 1 Ziff. 2 FeV). Eine Mitteilung der britischen Fahrerlaubnisbehörde Driver and Vehicle Licensing Agency (DVLA) über die Entziehung einer britischen Fahrerlaubnis ist eine vom Ausstellungsstaat herrührende unbestreitbare Information, die bei der Beurteilung der Inlandsgültigkeit der Fahrerlaubnis im Bundesgebiet zu berücksichtigen ist (VGH Mannheim NJW 2014, 3739 = NZV 2014, 596). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Erfüllung des Wohnsitzerfordernisses ist derjenige der Erteilung der EU-Fahrerlaubnis (BVerwG DAR 2015, 30). Es genügt nicht, dass sich der Inhaber einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis zu irgendeinem Zeitpunkt 185 Tage im Ausstellerstaat aufgehalten hat. Die Anmeldung im Ausländerregister belegt für sich genommen noch nicht die Einhaltung des Wohnsitzerfordernisses (VGH Mannheim NJW 2014, 3049 = NZV 2015, 50).
d) Wer während einer im Inland festgesetzten isolierten Sperrfrist (§ 28 Abs. 4 S. 1 Ziff. 4 FeV) ein fahrerlaubnispflichtiges Kfz führt, macht sich auch dann nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG strafbar, wenn er zuvor eine tschechische Fahrerlaubnis erworben hat. Aus dem Urteil muss sich aber ergeben, dass die Sperrfrist im Fahreignungsregister eingetragen und nicht nach § 29 StVG getilgt ist. Die Mitteilung der Eintragung im Bundeszentralregister genügt nicht (KG NStZ-RR 2015, 25 = StRR 2015, 151 = VRR 2014, 471 [jew. Küppers]).
2. Reform des Punktesystems
Am 1.5.2014 ist das neue Punktesystem in Kraft getreten. Erwartungsgemäß haben sich die Gerichte danach mit der Reichweite der Übergangsvorschrift des § 65 Abs. 3 StVG zur Überführung vom alten zum neuen System beschäftigen müssen (VGH Mannheim NJW 2015, 186 = DAR 2015, 31 m. Anm. Schäpe = VRR 2014, 479 [Burhoff]; OVG Münster DAR 2015, 37; VG Göttingen DAR 2015, 38; weiterführend Plate DAR 2014, 565).
Hinweis:
Zur Punkteberechnung bei Mehrfachtätern Albrecht/Kehr DAR 2015, 12; zur Überprüfbarkeit der Punktebewertung Fromm NZV 2015, 64.
3. Entziehung der Fahrerlaubnis (Schwerpunkt: Alkohol- oder Drogenkonsum)
a) Im Jahr 2014 hat eine Entscheidung des VGH Mannheim für erhebliche Aufmerksamkeit gesorgt, wonach die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis wegen einer Fahrt unter Alkoholeinfluss für ein Wiedererteilungsverfahren ohne weiteres die Notwendigkeit der Anordnung einer MPU auslösen soll, selbst wenn die BAK zur Tatzeit unter 1,6 ‰ – hier: 1,20 ‰ – lag (VGH Mannheim NJW 2014, 1833 = NZV 2014, 541 = DAR 2014, 416 mit abl. Besprechung Mahlberg DAR 2014, 419 = zfs 2014, 235 m. Anm. Haus = StRR 2015, 70 [Pießkalla]). Dem hat sich das VG Berlin angeschlossen (DAR 2014. 601 m. Anm. Mahlberg: BAK von 1,14 ‰; ebenso VG München – 6b. Kammer – DAR 2014, 712 bei relativer Fahruntüchtigkeit). Das VG Würzburg hat diese Ansicht abgelehnt (DAR 2014, 541; ebenso VG Regensburg DAR 2015, 40; VG München – 1. Kammer – DAR 2015, 154 m. Anm. Zwerger; offengelassen von VGH München DAR 2015, 35 m. Anm. Ixmeier: 1,34 ‰, vorläufiger Rechtsschutz).
Hinweis:
Instruktiv zu dieser Problematik Koehl DAR 2015, 52 (abl. zu VGH Mannheim a.a.O.)
b) Der Konsum von sog. harten Drogen (also mit Ausnahme von Cannabis) führt nach der Regelannahme gem. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV zum Verlust der Kraftfahreignung, ohne dass es darauf ankommt, ob eine regelmäßige Einnahme von Betäubungsmitteln vorliegt oder ein Kfz unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln geführt worden ist. Die Befugnis der Fahrerlaubnisbehörde, wegen fortbestehender Fahrungeeignetheit die Fahrerlaubnis zu entziehen, entfällt nicht allein durch die Behauptung einer nachfolgenden Drogenabstinenz und den Ablauf eines Jahres seit Beginn der behaupteten Abstinenz, wenn der materielle Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung von dem Betroffenen nicht erbracht worden ist (VGH Mannheim NJW 2014, 2517 = NZV 2015, 101 = DAR 2014, 339 = zfs 2014, 355).
Gelegentlicher Konsum von Cannabis i.S.v. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV liegt dann vor, wenn der Betroffene in zumindest zwei selbstständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen. Ein gelegentlicher Konsument von Cannabis trennt dann nicht in der gebotenen Weise zwischen diesem Konsum und dem Führen...