Alljährlich veröffentlicht die Polizei der Bundeshauptstadt Berlin eine Art Hitliste von Ländern weltweit, deren Botschafts- und Konsulatsvertreter Straßenverkehrsverstöße begehen (Münchner Merkur/MM v. 15.2.2015). Aufgrund ihrer Immunität muss das Corps diplomatique (CD) die verhängten Geldbußen aber nicht begleichen. Seit Jahren führen die Auslandsvertretungen Saudi-Arabiens diese Liste an, auf einem der nächsten Plätze folgt Ägypten. Es handelt sich zwar meist nur um Tempolimit- und Parkverstöße; aber selbst Trunkenheitsdelikte können wegen der Straffreistellung von Diplomaten in Deutschland nicht verfolgt werden (s. VkBl. 2009, 173 ff.).
Ähnliches wird aus der Schweiz berichtet (JF v. 9.1.2015) – über eine Personengruppe, die dort "unendlich nervt": Gesandte. Mit ihrem CD-Schild am Auto brauchen ausländische Botschafter auch hier nicht einmal Alkoholkontrollen zu fürchten. Zwar verhängt die Berner Polizei fleißig Bußgelder, aber bezahlt werden diese laut der genannten Zeitungsmeldung meist nicht.
Heftiges Ungemach droht hingegen westlichen Autolenkern in islamischen Staaten bei gewissen Zuwiderhandlungen. Etwa wenn sich beispielsweise ein unbedarfter europäischer Mietwagenfahrer auf der saudischen Autobahn von Dschidda in Richtung Riyad verfährt und auf die falsche – nur Muslimen vorbehaltene – Abbiegespur nach Mekka verirrt. Oder wenn ein Ausländer im Sudan betrunken am Steuer erwischt wird. Dann muss er zum einen mit Auspeitschung rechnen; zum anderen erhält er eine weitere Strafe wegen – des generell in islamischen Ländern verbotenen – Alkoholkonsums (Jeune Afrique v. 15.11.2009).
Da führt dann auch ein Blick auf das 1968er Wiener Weltabkommen über den Straßenverkehr nicht weiter. Denn dieses haben weder Saudi-Arabien noch der Sudan noch Ägypten ratifiziert. Erst recht finden sich in diesem Übereinkommen keine der erwähnten weltfremden Verkehrsregelungen oder Sanktionen.
In Kairo ist der Verkehr (so El-Gawharry, Alltag auf Arabisch, 2008) eine turbulente Mischung aus "sportlicher Missachtung grundlegender Verkehrsregeln", korrupter Polizei und einer riesigen Ansammlung verkehrsuntauglicher, ständig hupender Fahrzeuge. Immerhin gibt es in Ägypten Frauen am Steuer, sogar einige Taxifahrerinnen.
Das saudi-arabische Frauen-Fahrverbot ist hingegen nicht einmal im dortigen StVG enthalten. Dieses Verbot regelt nämlich eine sog. Fatwa, eine Anweisung, die von einem Religionsgelehrten des Landes erlassen wurde (MM v. 18.6.2011). Arabische Straßenverkehrsrechtler müssen sich also auch im religiösen Neben-Verkehrsstrafrecht auskennen, in der Scharia sowieso. Denn selbst wer die weltlichen Verhaltensvorschriften für Autofahrer einhält, kann gegen muslimisches Recht verstoßen. Frauen dürfen dort, obwohl mit einer Burka bekleidet, kein Auto lenken. In Saudi-Arabien stehen auf dieses Delikt 20 Peitschenhiebe (mit gutem Verteidiger ersatzweise eine hohe Geldstrafe) oder monatelange Haftstrafen (s. WELT v. 8.2.2012).
Das Schild "Vorsicht – Kamele kreuzen!" ist hingegen kein Thema für verschleierte Kfz-Insassen, denn Dromedare scheuen gewohnheitsmäßig nicht vor schwarzen Gewändern und Kopftüchern. In den Arabischen Emiraten haben – laut MM v. 6.7.2011 – die Wüstenschiffe sogar generell Vorfahrt. Und im Sultanat Oman werden Autos gern mit wilden Kamelen verglichen, das Autofahren mit Formel 1-Rennen!
Die Islamische Republik Iran hat lange gebraucht, bis sie Frauen das Radfahren – und ab 2003 das Motorradfahren – überhaupt erlaubt hat. Bis dahin war dies als "unislamisches Verhalten" strikt verboten. Das Kopftuch gehört in Persien hingegen weiterhin zwingend zur strengen weiblichen Kleiderordnung, samt knöchellangem Gewand. Jährlich werden über 60.000 iranische Frauen wegen "unzureichender Verschleierung" von der Religionspolizei verwarnt (FAZ v. 22.6.2010).
In Europa hat 2011 neben Belgien auch Frankreich ein Vollverschleierungsverbot für Frauen erlassen; es ist seit 2012 in Kraft. Bereits im April 2010 hatte ein französischer Polizeibeamter einer mit dem Niqab verhüllten Autofahrerin eine Geldbuße auferlegt, weil sie "mit eingeschränktem Gesichtsfeld" eine Gefahr im Straßenverkehr darstelle. Ein halbes Jahr später (jedoch vor Erlass des generellen Schleierverbots) hob allerdings ein Gericht den Bußgeldbescheid wieder auf.
Wenn im Iran in öffentlichen Linienbussen und Taxis relativ strikte Geschlechtertrennung herrscht, braucht uns dies in Mitteleuropa grundsätzlich nicht zu beunruhigen. Wenn allerdings in Deutschland islamische Mitfahrzentralen – mit getrennter weiblicher Personenbeförderung – entstehen (s. FAZ v. 29.2.2012), ist fraglich, ob dies verfassungsrechtlich zulässig ist. Mittels sog. Muslim-Taxis versucht die Scharia einmal mehr, durch die Auto-Hintertür bei uns Einzug zu halten. Hingegen beweisen die Herren Gesandten aus dem Morgenland tagtäglich ihre Abneigung gegen hiesiges (Straßenverkehrs-)Recht.
Autor: Rechtsanwalt Hermann Neidhart, Neuried
ZAP 9/2015, S. 449 – 450