I. Einführung
Seit Inkrafttreten der Insolvenzordnung (BGBl 1994 I, S. 2866) am 1.1.1999 hat die anwaltliche Beratung und Vertretung in Insolvenzverfahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Dies ist auch auf die Einführung des Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens zurückzuführen. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik haben verschuldete Privatpersonen die Möglichkeit, sich durch ein zwingend vorgeschaltetes Insolvenzverfahren von ihren in diesem Verfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten nach Maßgabe der §§ 286 ff. InsO endgültig zu befreien. Angesichts von ca. 6,72 Mio. verschuldeter Privatpersonen in Deutschland mit durchschnittlichen Schulden von ca. 34.000 EUR pro Schuldner (Quelle: SchuldnerAtlas Deutschland, Creditreform s. https://www.creditreform.de/nc/aktuelles/news-list/details/news-detail/schuldneratlas-deutschland-2015-2157.html; Stand: November 2015) ist das Beratungspotential groß. Das Rechtsinstitut der Restschuldbefreiung ist aber nicht nur für den typischen Verbraucherschuldner, der häufig durch Eheprobleme, Arbeitslosigkeit oder ungezügeltes Konsumverhalten in eine finanziell ausweglose Situation geraten ist, sondern auch für Gesellschafter oder Geschäftsführer von juristischen Personen, die im Falle der Insolvenz der Gesellschaft aufgrund von Bürgschaften, Schuldbeitritten oder Patronatserklärungen im Umfang der übernommenen Verpflichtungen für teilweise erhebliche Verbindlichkeiten der juristischen Person einzustehen haben, von erheblichem Interesse. Denn in diesen Fällen führt die Insolvenz der Gesellschaft regelmäßig zur Zahlungsunfähigkeit des Gesellschafters oder Geschäftsführers. Inzwischen hat der Gesetzgeber Regelungen geschaffen, die eine anwaltliche Beratung und Vertretung im Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren nicht von vornherein als finanziell unattraktiv erscheinen lassen. Nachfolgend werden die Möglichkeiten einer außergerichtlichen und gerichtlichen Schuldenbereinigung sowie die Besonderheiten des vereinfachten Verfahrens dargestellt.
II. Verbraucherinsolvenzverfahren
Die Regelungen zum Verbraucherinsolvenzverfahren sind seit Inkrafttreten der Insolvenzordnung wiederholt geändert worden (näher dazu Ahrens, Das neue Privatinsolvenzrecht, 2014, S. 6–40). Besonderer Erwähnung bedarf in diesem Zusammenhang das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.7.2013 (BGBl I, S. 2379), in Kraft getreten am 1.7.2014. Als spektakuläre Neuerung nennt Henning (ZAP F. 14, S. 672) die Verkürzung der Laufzeit der Abtretungserklärung auf drei Jahre. Allerdings wird diese nur gewährt, wenn 35 % der Verbindlichkeiten zuzüglich Kosten des Verfahrens vom Schuldner bis zum Ablauf dieser drei Jahre aufgebracht werden. Auch ist das zu durchlaufende Verfahren noch mit zahlreichen Unsicherheiten belastet und die tatsächlich zu erbringende Brutto-Quote wird wohl meist über 50 % liegen (vgl. Leipold ZInsO 2013, 2052). In Konkurrenz zu dieser Änderung dürfte daher die geschaffene Möglichkeit treten, auch in der Verbraucherinsolvenz einen Insolvenzplan gem. §§ 217 ff. InsO vorzulegen. Davon haben zahlreiche Schuldner seit Inkrafttreten des Gesetzes bereits Gebrauch gemacht. Erfolg war vor allem Plänen mit einer Einmalzahlung beschieden. Das Gesetz sieht darüber hinaus die Streichung des § 114 InsO, die Einführung einer Erwerbsobliegenheit des Schuldners im eröffneten Insolvenzverfahren (§ 287a InsO), Änderungen zur Restschuldbefreiung (§§ 290, 297a InsO), die Kodifizierung des asymmetrischen Verfahrens (§ 300a InsO), die Aufhebung der §§ 312–314 InsO und die Abschaffung des Treuhänders im Verbraucherinsolvenzverfahren sowie die Ergänzung des § 302 InsO vor, nach der Steuerforderungen, für die der Schuldner rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde, nicht mehr von der Restschuldbefreiung erfasst werden (zum Ganzen s. Henning ZAP F. 14, S. 671 ff.). Pape (ZInsO 2016, 125, 126) bemängelt 1 ½ Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes, dass von den ursprünglich einfach zu handhabenden Verfahrensabläufen wenig übrig geblieben und eine klare Struktur des Verfahrens nicht mehr zu erkennen sei. So sei ungeklärt, ob und in welchem Umfange bei der Anfangsentscheidung nach § 287a InsO zweifelsfreie Versagungsgründe zu berücksichtigen sind. Verunsicherung herrsche auch bezüglich der Frage, ob aufgrund der jederzeit zulässigen Versagungsanträge während des Verfahrens schon vor dem Schlusstermin entschieden werden kann. Dies gelte gleichermaßen hinsichtlich der Frage, wie zu entscheiden sei, wenn es zwar keine Anmeldungen im Insolvenzverfahren gibt, der Schuldner jedoch die Kosten des Verfahrens nicht beglichen hat.
Unverändert geblieben ist auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte die – dreistufige – Grundstruktur des Verbraucherinsolvenzverfahrens (§§ 304–311 InsO). Insolvente Schuldner, die dem Anwendungsbereich des § 304 InsO unterliegen, müssen zunächst eine außergerichtli...