Das BAG fasst in seinem Urteil vom 29.4.2015 (7 AZR 310/13, NZA 2015, 928) die bisherigen Grundsätze zur Vertretungsbefristung nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG zusammen: Der klagende Arbeitnehmer war in der Zeit von 1.11.1998 bis 31.8.2013 (rund 15 Jahre) aufgrund von zehn befristeten Arbeitsverträgen als stellvertretender Küchenleiter in der Küche eines städtischen Alten- und Pflegeheims mit insgesamt 5,2 Vollzeitarbeitskräften beschäftigt. Die Stadt betrieb nur eine Küche. Die Befristungen entsprachen nach Grund und Dauer jeweils den prognostizierten oder bewilligten Abwesenheitszeiten der stellvertretenden Küchenleiterin. Diese beruhten auf der Geburt von insgesamt drei Kindern, schwangerschaftsbedingten Erkrankungen, Mutterschutz, Erziehungsurlaub/Elternzeit und zuletzt Sonderurlaub nach § 28 TVöD zur Betreuung von Kindern im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren. Der Kläger wendet sich mit der fristgemäß erhobenen Entfristungsklage gegen die Letztbefristung wegen Sonderurlaubs. Eine Vertretungsbefristung sei unwirksam, jedenfalls rechtsmissbräuchlich.
Die Klage hatte in allen drei Instanzen keinen Erfolg, weil die Letztbefristung durch den Sachgrund der Vertretung nach § 14 Abs. S. 2 Nr. 3 TzBfG i.V.m. § 21 BEEG gerechtfertigt ist. Dabei wird der Sachgrund der Vertretung durch § 21 Abs. 1 BEEG konkretisiert (ebenso zuvor: § 21 Abs. 1 BErzGG). Der Vertretungssachverhalt beruht vorliegend auf der tariflichen Sonderurlaubsregelung des § 28 TVöD. Teil des Sachgrunds der Vertretung i.S.d. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG ist eine Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs durch die Rückkehr des zu vertretenden Mitarbeiters. Der Arbeitgeber darf nach der ständigen Rechtsprechung des Siebten Senats – ohne weitere besondere Darlegungen zum Rückkehrwillen – regelmäßig damit rechnen, dass der Vertretene seine arbeitsvertraglichen Pflichten künftig wieder erfüllen wird, wenn der Vertretungsbedarf durch Krankheit, Urlaub oder Freistellung entsteht. Dabei bleibt es auch dann, wenn der Vertreter bereits längere Zeit auf der Grundlage befristeter Arbeitsverträge zur Vertretung desselben Arbeitnehmers beschäftigt wurde. Die Anforderungen an die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses anzustellende Prognose sind nicht mit zunehmender Anzahl einzelner befristeter Verträge zu verschärfen.
Auch die aus unionsrechtlichen Gründen zwingend erforderliche, umfassende Rechtsmissbrauchskontrolle, führte nicht zum Erfolg. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Trotz des an sich, wegen der Dauer von knapp 15 Jahren und der Anzahl von zehn Befristungen, gegebenen Missbrauchsindizes, ist dieses im Streitfall widerlegt, weil zu keinem Zeitpunkt ein dauerhafter Bedarf für die Beschäftigung des Klägers bestand. Der Zwang des Arbeitgebers zur Gestaltung der Befristung begründet keinen Rechtsmissbrauch (EuGH, Urt. v. 26.1.2012 – C-586/10 "Kücük", Rn 50, NZA 2012, 989). Dies gilt vor allem bei einer Befristung aufgrund des § 21 BEEG, weil diesem das politische Ziel der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zugrunde liege, das insbesondere bei Betreuung mehrerer Kinder zu längeren Ausfall/Vertretungszeiten führen kann.
Hinweise:
Für die Rechtsmissbrauchskontrolle legt das BAG folgende Grundsätze an:
Quantitativ: Gesamtdauer der befristeten Verträge. Werden die in § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG genannten Grenzen alternativ oder insbesondere kumulativ in gravierendem Ausmaß überschritten, kann eine missbräuchliche Ausnutzung der an sich eröffneten Möglichkeit zur Sachgrundbefristung indiziert sein (mehrfach BAG, Urt. v. 18.7.2012 – 7 AZR 443/08, Rn 48 f., NZA 2012, 1351). Wobei sowohl der doppelte Zeitraum (vier Jahre) als auch die doppelte Anzahl an Verlängerungen (sechs) in einem Tarifvertrag nicht beanstandet wurden.
Weiter können die Zahl und Dauer von Unterbrechungen sowie branchenspezifische Besonderheiten (z.B. Saisonbetriebe des Hotel- und Gaststättengewerbes) und grundrechtliche Freiheiten (vgl. Art. 5 Abs. 1 GG Pressefreiheit, Rundfunkfreiheit, Art. 5 Abs. 3 GG Kunst und Wissenschaft) zu würdigen sein.
Qualitativ: Beschäftigung stets auf dem gleichen Arbeitsplatz und mit denselben Aufgaben oder mit wechselnden, ganz unterschiedlichen Aufgaben. Eine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung der dem Arbeitgeber grundsätzlich eröffneten Befristungsmöglichkeit stellt es dar, wenn er gegenüber einem langjährig beschäftigten Arbeitnehmer trotz der tatsächlich vorhandenen Möglichkeit einer dauerhaften Einstellung, immer wieder auf befristete Verträge zurückgreift (BAG, Urt. v. 29.4.2015 – 7 AZR 310/13, Rn 25, a.a.O. und BAG, Urt. v. 19.2.2014 – 7 AZR 260/12, Rn 38, NZA 2014, 1296).
Ein weiteres Indiz kann das Zurückbleiben der Befristung hinter dem prognostizierten Vertretungsbedarf sein, wenn trotz eines tatsächlich zu erwartenden langen Vertretungsbedarfs in rascher Folge mit demselben Arbeitnehmer eine Vielzahl kurzfristiger Arbeitsverhältnisse vereinbart werden (für den Sachgrund der Vertretung § 14 Abs. 1 S. 2 Nr...