Hinweis:
Aufgabe der Rechtsprechung (BAG, Urt. v. 9.10.1969 – 5 AZR 501/68, zu 2 der Gründe).
Folgender Sachverhalt lag dem Urteil des BAG vom 16.12.2014 (9 AZR 295/13, NZA 2015, 827) zugrunde: Der Kläger war ab dem 12.4.2010 bis zum 31.5.2010 zunächst in Teilzeit, dann ab dem 1.6.2010 in Vollzeit bis zum 31.5.2011 im Lebensmittelmarkt des Beklagten beschäftigt. In der Zeit vom 15.11.2010 bis zum 10.4.2011 war er arbeitsunfähig erkrankt. Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 31.5.2010 (im Folgenden: ArbV) sah u.a. vor: "Der Urlaubsanspruch beträgt 30 Werktage im Kalenderjahr. Bei Eintritt oder Ausscheiden während eines Kalenderjahres wird der Urlaub anteilig gewährt." Weiter war eine Verwirkung von Ansprüchen vorgesehen: "Gegenseitige Ansprüche aller Art aus dem Arbeitsverhältnis sind innerhalb einer Ausschlussfrist von mindestens drei Monaten seit Fälligkeit des Anspruches schriftlich geltend zu machen."
Der Beklagte lehnte nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die vom Kläger am 14.10.2011 verlangte Abgeltung seines Urlaubs des Jahrs 2010 mit drei Begründungen ab:
- Der Kläger sei zunächst in Teilzeit tätig gewesen.
- Dem Kläger sei bereits von seinem früheren Arbeitgeber für das Jahr 2010 Urlaub gewährt worden. Eine Urlaubsbescheinigung seines früheren Arbeitgebers legte der Kläger dem Beklagten nicht vor.
- Die Ausschlussfrist greife ein.
Das BAG sieht, anders als das LAG, die Ausschlussfrist als gewahrt an, die Revision hatte im Sinne der Zurückverweisung Erfolg.
Die "Zwölftelungsregelung" im ArbV ist unwirksam. Sie verstößt gegen den von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (ArbeitszeitRL vom 4.11.2003, ABl EU L 299 v. 18.11.2003 S. 9) gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen. Eine anteilige Entstehung des Urlaubsanspruchs im Eintrittsjahr ist nur in den Fällen vorgesehen, in denen der Arbeitnehmer die Wartezeit nicht erfüllt (§ 5 Abs. 1 Buchst. a BUrlG). Demgegenüber regelt § 10 S. 2 ArbV im Eintrittsjahr eine Kürzung auch in den Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis – wie im Streitfall – in der ersten Hälfte des Jahres begründet wird. Eine geltungserhaltende Reduktion ist ausgeschlossen. Eine ergänzende Vertragsauslegung scheitert bereits an der fehlenden Differenzierung nach Mindest- und vertraglichem Mehrurlaub. Gegenstand der Kürzungsregelung ist der gesamte Urlaubsanspruch.
Allerdings ist der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif. In § 6 Abs. 1 BUrlG formuliert das Gesetz eine negative Anspruchsvoraussetzung. Dem Arbeitnehmer als Gläubiger des Urlaubsanspruchs obliegt es, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass die Voraussetzungen, unter denen § 6 Abs. 1 BUrlG eine Anrechnung bereits gewährten Urlaubs vorsieht, nicht vorliegen. Das LAG hat nach der Zurückverweisung der Sache u.a. dem Kläger Gelegenheit zu geben nachzuweisen, dass sein früherer Arbeitgeber seinen Urlaubsanspruch für das Kalenderjahr 2010 nicht (vollständig oder teilweise) erfüllt oder abgegolten hat. Führt der Kläger diesen Nachweis, hat der Beklagte den Urlaub des Klägers abzugelten, soweit er den Urlaubsanspruch des Klägers nicht selbst erfüllt hat.
Hinweise:
- Das BAG lässt – entgegen der bisherigen Rechtsprechung – eine nicht nach Mindest- und Mehrurlaub differenzierende vertragliche Kürzungsregelung am Unionsrecht bzw. § 13 Abs. 1 S. 3 BUrlG scheitern. Im Übrigen ist weder eine geltungserhaltende Reduktion noch eine ergänzende Vertragsauslegung möglich. Die künftige Vertragsgestaltung wird dies zu beachten haben.
- Eine Kürzung des Urlaubsanspruchs wegen Teilzeit scheidet aus, weil der Kläger im Eintrittsjahr mehr als sechs Monate in Vollzeit beschäftigt und ein Vollurlaubsanspruch entstanden war.
- Der unstreitige Resturlaubsanspruch von 29 Tagen war am 31.3.2011 in Folge der fortdauernden Arbeitsunfähigkeit nicht verfallen.
- Die Ausschlussfrist scheitert am Wortlaut "mindestens" drei Monate, sie lässt daher das Ende offen.
- Das BAG gibt seine bisherige Rechtsprechung (BAG, Urt. v. 9.10.1969 – 5 AZR 501/68, zu 2 der Gründe: rechthindernde Einwendung) auf: In § 6 Abs. 1 BUrlG formuliert das Gesetz – so das BAG jetzt – eine negative Anspruchsvoraussetzung. Dem Arbeitnehmer als Gläubiger des Urlaubsanspruchs obliegt es, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass die Voraussetzungen, unter denen § 6 Abs. 1 BUrlG eine Anrechnung bereits gewährten Urlaubs vorsieht, nicht vorliegen.
- Das BAG wendet jedoch zugunsten des Arbeitnehmers die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast an: (1) Zunächst muss der Arbeitnehmer vortragen, dass die Voraussetzungen, unter denen § 6 Abs. 1 BUrlG eine Anrechnung von Urlaubsansprüchen vorsieht, nicht vorliegen. (2) Bestreitet der Arbeitgeber den Vortrag des Arbeitnehmers – ggf. mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) – hat der Arbeitnehmer seine Darlegungen zu substantiieren und (3) für seine Angaben Beweis anzubieten. Neben anderen Beweismitteln kommt hierbei insbesondere die Urlaubsbescheinigung gem. § 6 Abs. 2 BUrlG in Betracht. Legt der Arbe...