1. Bestandsschutz nach § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 BauGB
Nach § 35 Abs. 2 BauGB können sonstige Vorhaben im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist. Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nach Absatz 4 nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie i.Ü. außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind. Hierzu gehört die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter der Voraussetzung, dass das Gebäude zulässigerweise errichtet worden ist (§ 35 Abs. 4 S. 1 Buchst. a BauGB).
Das BVerwG verlangt in seinem Urteil vom 3.8.2016 (4 C 3.15, NVwZ 2016, 1477 ff. = BBB 2016, Nr. 11, 60 f. = ZfBR 2016, 787 ff. = BauR 2017, 85 ff.) ein zulässigerweise errichtetes Wohngebäude. Zwar spreche § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 Buchst. a BauGB nur von einem Gebäude; diese Formulierung bezeichne aber das zu Beginn der Nr. 5 genannte Wohngebäude. Diese Sichtweise entspreche dem gesetzgeberischen Ziel, die Bevölkerung mit Wohnraum zu versorgen. Auf § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 BauGB könne sich daher nicht berufen, wer ein zulässigerweise errichtetes Gebäude erweitere und erst mit dieser Erweiterung eine Umnutzung hin zu einer Wohnnutzung vornehme.
2. Einfügung in die Eigenart der näheren Umgebung
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens beurteilt sich nach § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB, wenn das Baugrundstück Bestandteil eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils ist. Weiterhin ist erforderlich, dass sich das Vorhaben nach der Art der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt.
In die Eigenart der näheren Umgebung fügt sich ein Vorhaben ein, das sich innerhalb des aus seiner näheren Umgebung hervorgehenden Rahmens hält, es sei denn, es lässt die gebotene Rücksichtnahme auf die in der unmittelbaren Umgebung vorhandene Bebauung fehlen (BVerwGE 55, 369, 386).
Allerdings kann sich im Ausnahmefall auch ein Vorhaben, das sich nicht in jeder Hinsicht innerhalb des Rahmens hält, noch in seine nähere Umgebung einfügen. Voraussetzung hierfür ist, dass es weder selbst noch infolge einer nicht auszuschließenden Vorbildwirkung geeignet ist, bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen oder vorhandene Spannungen zu erhöhen (BVerwG Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 172 S. 22). Diese Grundsätze gelten nicht nur für eine Überschreitung des vorgegebenen Rahmens hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung, sondern auch für ein Überschreiten des Maßes der baulichen Nutzung (BVerwG Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 158 S. 102).
Nach dem Urteil des BVerwG vom 8.12.2016 (4 C 7.15) sind die Merkmale, nach denen sich ein Vorhaben i.S.v. § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen muss, jeweils unabhängig voneinander zu prüfen. Füge sich ein Vorhaben seiner Art nach ein, so komme es im Rahmen der Prüfung, ob es sich auch seinem Maße nach einfüge, darauf an, ob es dort Referenzobjekte gebe, die bei einer wertenden Gesamtbetrachtung von Grundfläche, Geschosszahl und Höhe, bei offener Bebauung auch nach dem Verhältnis zur Freifläche, vergleichbar seien. Die Übereinstimmung in nur einem Maßfaktor genüge nicht.
3. Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens
Klagt eine Gemeinde gegen die Verlängerung eines Bauvorbescheids, die unter Zulassung einer Ausnahme von einer Veränderungssperre und unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens erteilt worden ist, stellt sich die Frage, auf welchen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage und damit der Rechtmäßigkeit des Bescheids abzustellen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG beurteilt sich die Frage, ob ein belastender Verwaltungsakt den Kläger i.S.v. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO rechtswidrig in seinen Rechten verletzt, nach dem materiellen Recht, dem nicht nur die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ermächtigungsgrundlage, sondern auch die Antwort auf die Frage zu entnehmen ist, zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen (vgl. BVerwGE 34, 155, 157 f., 120, 246, 250).
Nach dem Urteil des BVerwG vom 9.8.2016 (4 C 5.15, DVBl 2016, 1543 ff. = BauR 2017, 96 ff. = ZfBR 2017, 62 ff.) ist bei der Klage einer Gemeinde gegen eine Genehmigung, die unter Ersetzung des nach § 14 Abs. 2 S. 2 BauGB erforderlichen Einvernehmens erteilt wurde, auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieses Bescheids abzustellen; nach diesem Zeitpunkt eintretende Änderungen müssten unberücksichtigt bleiben. Dabei nimmt das BVerwG auf seine zu § 36 Abs. 2 S. 3 BauGB ergangene Rechtsprechung Bezug. Nach dieser Vorschrift kann die nach Landesrecht zuständige Behörde das nach § 36 Abs. 1 S. 1 BauGB erforderliche Einvernehmen ersetzen, wenn es von der Gemeinde rechtswidrig verweigert worden ist. Da die Gemeinde ihr Einvernehmen nur aus den in § 36 Abs. 2 S. 1 BauGB...