I. Vorbemerkung
Ziel dieses Beitrags ist es, die Grundsätze für die Bestimmung der Höhe von Vertragstrafen aus wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsverträgen an Hand der vielfältigen Rechtsprechung aufzuzeigen. Auf die vertragliche Grundlage soll nur so weit eingegangen werden, als dies für das Verständnis der Ermittlung einer angemessenen Höhe erforderlich ist. Bezüglich der Rechtsnatur der Vertragstrafenvereinbarung, die in zahlreichen Rechtsgebieten relevant werden kann, zu den Arten von Unterlassungsverträgen, deren Auslegung, zu der Inhaltskontrolle und der prozessualen Durchsetzung hat Schmitt-Gaedke in seinem Beitrag "Der Anspruch auf Vertragstrafe und seine Durchsetzung im Prozess – Leichtes Spiel für den Gläubiger?" (ZAP F. 2, 641 ff.) bereits die Grundzüge eingehend dargestellt. Insofern soll mit der nachfolgenden praktischen Analyse der Teilaspekt zur Höhe der Vertragsstrafe in Wettbewerbssachen näher betrachtet und vertieft werden.
II. Arten von Unterlassungsverträgen
Je nach Typus der Vertragsstrafenvereinbarung ergeben sich unterschiedliche Möglichkeiten zur Bestimmung der Höhe (hierzu später unter V.) und zur Überprüfung der Angemessenheit durch die Gerichte (hierzu später unter VI.).
1. Vereinbarung einer festen Vertragsstrafe
Bei dieser Variante wird ein Vertragsstrafeversprechen mit einem festen Betrag (früher jedenfalls häufig 5.001 EUR oder 5.100 EUR, heute teilweise noch verbreitet) vereinbart. Diese Höhe wurde deshalb so gewählt, um die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts gem. §§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1 GVG zu begründen, das für die Spezialmaterie als besser geeignet angesehen wird als das Amtsgericht. Seit der BGH (Beschl. v. 19.10.2016 – I ZR 93/15) den Hinweis erteilt hat, dass Vertragsstrafenansprüche infolge einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung unabhängig vom Streitwert die Zuständigkeit des Landgerichts nach § 13 Abs. 1 S. 1 UWG begründen, ist das Überschreiten des Betrags von 5.000 EUR für die Zuständigkeit nicht mehr von Bedeutung.
2. Neuer Hamburger Brauch
Die mittlerweile wohl häufigste Variante der Unterlassungserklärung ist die Vereinbarung einer in der Höhe nach billigem Ermessen i.S.d. § 315 Abs. 1 BGB vom Gläubiger zu bestimmenden und vom Gericht auf Billigkeit hin zu überprüfenden Vertragsstrafe (sog. Neuer Hamburger Brauch, vom BGH empfohlen, aber als Alternative nicht verpflichtend, Urt. v. 13.11.2013 – I ZR 77/12).
3. Neuer Hamburger Brauch mit Obergrenze
Zusätzlich kommt – mit sehr geringer Bedeutung (s. Schmitt-Gaedke ZAP F. 2, S. 641 ff.) – noch eine Mischform vor, bei der die Bestimmung der Höhe in das billige Ermessen des Gläubigers gestellt wird, dieser jedoch nach oben hin eine Grenze zu beachten hat.
4. Neuer Hamburger Brauch mit Untergrenze
Eine größere Bedeutung hat die Variante des Neuen Hamburger Brauchs mit Untergrenze, nämlich beim sog. Aufstockungsanspruch. Kommt es nach Abgabe und Annahme einer strafbewehrten Unterlassungserklärung zu einem erneuten identischen oder kerngleichen Wettbewerbsverstoß, entsteht ein neuer Unterlassungsanspruch. Die nach Abgabe einer solchen Unterlassungserklärung durch einen erneuten – auch unverschuldeten – Rechtsverstoß begründete Wiederholungsgefahr kann grundsätzlich nur durch eine weitere Unterlassungserklärung mit einer gegenüber der ersten erheblich höheren Strafbewehrung ausgeräumt werden (OLG Köln, Urt. v. 12.10.2018 – 6 U 34/18; LG Köln, Urt. v. 11.7.2013 – 14 O 61/13; ebenso Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl. 2019, § 12 Rn 1.228; zweifelnd: Bacher/Teplitzky/Kessen, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl. 2019, Kap. 8 Rn 53).
Hinweis:
Die Wiederholung einer identischen Erklärung genügt nicht. Eine Unterlassungserklärung nach Neuem Hamburger Brauch reicht in der ursprünglichen Form (Erstverstoß) nicht mehr aus. Wurde die erste Unterlassungserklärung nach dem Neuen Hamburger Brauch abgegeben, kann der Schuldner in der zweiten Unterlassungserklärung entweder eine Mindestsumme versprechen ("nicht unter...") oder eine fixe Vertragsstrafe (OLG Köln, Urt. v. 24.5.2017 – 6 U 161/16; OLG Köln, Urt. v. 5.12.2014 – 6 U 57/14).
III. Feststellung des Wettbewerbsverstoßes
1. Auslegung der Unterlassungserklärung
Die Auslegung einer Unterlassungserklärung richtet sich nach den allgemein für die Auslegung von Willenserklärungen gültigen Regeln (§§ 133, 157 BGB). Eine unmittelbare Heranziehung der restriktiven Grundsätze, wie sie für die Auslegung eines in gleicher Weise formulierten Unterlassungstitels im Hinblick auf dessen Vollstreckbarkeit entwickelt worden sind, kommt nicht in Betracht, weil einem Unterwerfungsvertrag der Charakter eines vollstreckbaren Titels fehlt. Zur Auslegung eines Unterlassungsvertrags können im Einzelfall auch Erwägungen der Parteien bei Abschluss der Unterlassungsvereinbarung von Bedeutung sein (BGH, Urt. v. 30.9.1993 – I ZR 54/91 – Vertragstrafenbemessung). Insbesondere ist auch die zugrunde liegende Abmahnung heranzuziehen. Ist dort das zu unterlassende Verhalten klar dargestellt, so hat das insofern auch Bedeutung für die Unterlassungserklärung (LG Dresden, Beschl. v. 4.2.2019 – 44 HK O 169/18). Ferner können zur Auslegung einer Unterwerfungserklärung auch nachträgliche Äußerungen herangezogen werden, die der Schuldner zur Klarstellung seiner Erklärung...