Häufig wird argumentiert, die gestaffelte Streitwertfestsetzung sei vorzunehmen, um danach die Anwaltsgebühren berechnen zu können, da hier – im Gegensatz zum gerichtlichen Verfahren – i.d.R. mehrere Gebühren anfallen (Verfahrens-, Termins- und ggf. Einigungsgebühr) und diese sich nach unterschiedlichen Gegenstandswerten berechnen können. Auch dieser Ansatz ist jedoch in mehrfacher Hinsicht unzutreffend.
Erstens gibt es keine „absolute”, also für die Abrechnung aller Anwälte verbindliche Festsetzung des Gegenstandswerts (OLG Düsseldorf AGS 2018, 184 = Rpfleger 2018, 511 = NJW-Spezial 2018, 347 = ZEV 2018, 545). Die Wertfestsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit findet nur „inter partes” statt, also zwischen einem bestimmten Anwalt und seinem Auftraggeber. Das beruht darauf, dass für mehrere Anwälte in demselben Verfahren nicht derselbe Gegenstandswert gelten muss. Abweichungen können sich aus einer unterschiedlichen Auftragslage der beteiligten Anwälte ergeben oder auch daraus, dass ein Anwalt erst im Verlaufe des Verfahrens beauftragt worden ist oder sein Mandat vorzeitig geendet hat.
Zweitens werden auch die Anwaltsgebühren nicht nach Zeitabschnitten erhoben, so dass eine zeitlich gestaffelte Wertfestsetzung hier ebenso wenig sinnvoll ist.
Drittens hat das Gericht von Amts wegen nur den Wert für die Gerichtsgebühren festzusetzen (§ 63 GKG), nicht aber auch für die Anwaltsgebühren. Soweit sich für die Anwaltsgebühren ein vom gerichtlichen Streitwert abweichender Gegenstandswert ergibt, ist das Gericht zwar auch hier zur Wertfestsetzung berufen, aber nur auf Antrag des Anwalts oder eines Beteiligten (§ 33 Abs. 1 RVG). Das Gericht darf hier nicht von Amts wegen tätig werden.
Rechtsprechungshinweis:
LG Mainz (Beschl. v. 4.10.2018 – 1 O 264/16, AGS 2018, 571 m. Anm. N. Schneider = NJW-Spezial 2018, 701): Soweit sich Anwaltsgebühren nach abweichenden Werten berechnen, ist insoweit eine Festsetzung von Amts wegen nicht zulässig. Eine solche Festsetzung ist dem gesonderten Verfahren nach § 33 RVG vorbehalten.
Und schließlich erfolgt die Festsetzung hier in einem anderen Verfahren, nämlich in dem nach § 33 RVG und nicht in dem nach § 63 GKG. Zwischen beiden Verfahren bestehen erhebliche Unterschiede. So gelten z.B. unterschiedliche Rechtsmittelfristen (sechs Monate nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens oder anderweitiger Erledigung gem. §§ 68 Abs. 1 S. 3, 63 Abs. 3 S. 2 GKG; zwei Wochen nach Zustellung gem. § 33 Abs. 3 S. 3 RVG). Die Beschwerde nach § 68 GKG ist immer gerichtsgebührenfrei (§ 68 Abs. 3 S. 1 GKG); die Beschwerde nach § 33 Abs. 3 RVG ist nur gerichtsgebührenfrei, wenn sie Erfolg hat (§ 1 Abs. 1 S. 2 GKG i.V.m. Nr. 1812 GKG-KostVerz.). Geht es um die Wertfestsetzung eines Berufungsverfahrens, ist für die Festsetzung des Streitwerts die Kammer oder der Senat zuständig, wenn er in der Sache entschieden hat; für die Festsetzung des Gegenstandswerts ist dagegen auch in diesem Fall originär der Einzelrichter zuständig (§ 33 Abs. 8 S. 1 RVG).
Dieses gesonderte Verfahren nach § 33 RVG ist auch erforderlich, damit der Anwalt zur Höhe des Gegenstandswerts seiner Vergütung vortragen und der Auftraggeber Einwände erheben kann. Das Gericht kann aus den Prozessakten zwar den Wert des gerichtlichen Verfahrens ermitteln; es kann daraus aber nicht zwingend auch den Wert der anwaltlichen Tätigkeit erkennen. So kann das Gericht bei wechselnden Anträgen gar nicht erkennen, nach welchem Wert die Terminsgebühr des Anwalts angefallen ist.
Beispiel:
Die Klägerin verlangt vom Beklagten Zahlung eines Betrags i.H.v. 10.000 EUR. Zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung nimmt sie die Klage um 3.000 EUR zurück und macht lediglich noch 7.000 EUR geltend. Mit diesem Antrag wird dann auch vor Gericht verhandelt.
Ohne Anhörung des Anwalts und seines Auftraggebers kann das Gericht den Gegenstandswert der Terminsgebühr gar nicht feststellen. Eine Terminsgebühr wird nämlich nicht nur nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV RVG durch die Teilnahme an einem gerichtlichen Termin ausgelöst, sondern auch durch Besprechungen der Anwälte zur Erledigung des Verfahrens (Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV RVG). Ob sich die Terminsgebühr im Beispiel also nur aus 7.000 EUR berechnet, weil darüber der Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden hat, kann das Gericht nicht wissen, wenn es den Anwalt insoweit am Wertfestsetzungsverfahren nicht beteiligt und zum Tatbestand der Terminsgebühr anhört.
So wäre es im Beispiel ja durchaus denkbar, dass die Klagerücknahme aufgrund einer vorherigen Besprechung der Anwälte erfolgt ist, z.B. dergestalt, dass der Anwalt des Beklagten den Anwalt der Klägerin in einem Telefonat davon überzeugt hat, dass der geltend gemachte Anspruch jedenfalls um 3.000 EUR zu hoch angesetzt sei und der Anwalt der Klägerin darauf ein Einsehen hatte und den Antrag vor dem Termin teilweise zurückgenommen hat. Denkbar wäre auch, dass der Anwalt der Klägerin den Anwalt des Beklagten angerufen hat und aufgrund dieses Gesprächs ber...