1. Ausgangslage
Wie bereits ausgeführt, machen sich viele Richter keine Gedanken, warum sie einen Streitwert festsetzen. Dies führt dann u.U. dazu, dass völlig unsinnige Streitwertbeschlüsse erlassen werden.
Beispiel: Wertfestsetzung im Ordnungsgeldverfahren
Der Schuldner ist vom LG verurteilt worden, unter Androhung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft, bestimmte wettbewerbswidrige Handlungen zu unterlassen. Den Streitwert für dieses Verfahren hat das Gericht auf 30.000 EUR festgesetzt. Da der Schuldner nach Rechtskraft des Urteils gegen das Unterlassungsgebot verstößt, beantragt der Gläubiger beim LG gem. § 890 ZPO die Verhängung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft. Das LG gibt dem Antrag statt und verhängt ein Ordnungsgeld i.H.v. 3.000 EUR. Gleichzeitig setzt das Gericht den Streitwert auf 3.000 EUR fest.
2. Streitwertfestsetzung ist unzulässig
Auch hier ist wieder § 63 Abs. 2 GKG zu beachten. Danach hat – wie bereits unter II. ausgeführt – ein Gericht den Streitwert festzusetzen, wenn Gerichtsgebühren anfallen und diese sich nach dem Wert richten. Daraus folgt, dass ein Gericht nur dann eine Kompetenz zur Streitwertfestsetzung hat, wenn
- Gerichtsgebühren anfallen und
- diese sich nach dem Streitwert berechnen.
Im Umkehrschluss folgt hieraus, dass das Gericht keine Kompetenz hat, einen Streitwert festzusetzen, wenn entweder gar keine Gerichtsgebühren erhoben werden oder diese sich nicht nach dem Streitwert richten. Eine Streitwertfestsetzung wäre in diesem Fall auch völlig sinnlos. Wenn sich die Gerichtsgebühren nicht nach dem Wert richten, dann bedarf es auch keiner Wertfestsetzung.
Im Ausgangsfall ist also zunächst einmal zu fragen, welche Gerichtsgebühr in einem Ordnungsgeldverfahren nach § 890 ZPO anfällt. Diese Frage ist durch einen Blick in das Kostenverzeichnis zum GKG leicht zu beantworten:
Nach Nr. 2111 GKG-KostVerz. fällt also eine Festgebühr i.H.v. 20 EUR an. Diese Gebühr wird unabhängig davon erhoben, wie hoch der Wert des durchzusetzenden Anspruchs ist. Wird aber hiernach eine Festgebühr erhoben, bedarf es keiner Streitwertfestsetzung. Sie ist unzulässig.
Rechtsprechungshinweise:
- LG Karlsruhe (Beschl. v. 14.11.2017 – 15 O 31/15 KfH, AGS 2018, 23 = NJW-Spezial 2018, 28): Eine Streitwertfestsetzung im Ordnungsgeldverfahren kommt nicht in Betracht, da hier nach Nr. 2111 GKG-KostVerz. eine Festgebühr erhoben wird.
- OLG Frankfurt (Beschl. v. 22.9.2015 – 1 WF 197/15, FuR 2016, 179): War das Familiengericht als Vollstreckungsgericht im Zwangsmittelverfahren wegen verweigerter Auskunft eines Ehegatten tätig, finden gem. Vorbem. 1.6. S. 1 und 2 FamGKG-KostVerz. in Ansehung der Gerichtsgebühren die Vorschriften des GKG Anwendung. Gemäß Nr. 2111 GKG-KostVerz. wird bei Anträgen auf gerichtliche Handlungen der Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO eine Festgebühr i.H.v. 20,00 EUR erhoben. Einer Wertbestimmung bedarf es in Ansehung der Gerichtskosten daher gem. § 55 Abs. 2 und 1 FamGKG nicht.
- LG Bonn (Beschl. v. 14.12.2017 – 12 O 16/16, AGS 2018, 23): Da im Ordnungsgeldverfahren eine Festgebühr nach Nr. 2111 GKG-KostVerz. erhoben wird, kommt eine Streitwertfestsetzung nicht in Betracht.
Es ist einhellige Auffassung, dass solche unzulässigen Streitwertfestsetzungen gegenstandslos sind. Sie haben also rechtlich überhaupt keine Bedeutung. Weder binden sie das Gericht, was bei Erhebung einer Festgebühr ja auch gar nicht sein kann, noch binden sie den Rechtsanwalt über § 32 Abs. 1 RVG für die Berechnung seiner Vergütung.
Rechtsprechungshinweise:
- OLG Karlsruhe (Beschl. v. 4.2.2009 – 4 W 5/09, AGS 2009, 401 = MDR 2009, 587 = JurBüro 2009, 314 = NJW-RR 2009, 1366): Setzt das Gericht im Zivilprozess von Amts wegen einen Streitwert fest, obwohl in dem betreffenden Verfahren keine Gerichtsgebühren anfallen, für die es auf den Streitwert ankäme, ist eine solche Festsetzung gegenstandslos.
- OLG Nürnberg (Beschl. v. 1.8.2018 – 3 W 1010/18, AGS 2018, 406 = NJW-RR 2018, 1277 = MDR 2019, 61 = NJW-Spezial 2018, 571). Ist eine Streitwertfestsetzung von Amts wegen nicht zulässig, so ist eine gleichwohl vorgenommene Festsetzung gegenstandslos.
Die Rechtsprechung geht noch einen Schritt weiter und ist fast einhellig der Auffassung, dass solche gegenstandslosen Wertfestsetzungen auf eine Beschwerde oder Gegenvorstellung hin aufzuheben sind. Mangels Bindungswirkung einer solchen Streitwertfestsetzung könnte man zwar daran denken, dass es an einer Beschwer fehle (so OLG Karlsruhe NJW-RR 2009, 1366); die Rechtsprechung sieht die erforderliche Beschwer jedoch bereits darin, dass der Rechtsschein einer Wertfestsetzung besteht und es gilt, diesen zu beseitigen.
Rechtsprechungshinweise:
- Bayerischer VGH (Beschl. v. 22.12.2014 – 15 C 14.2514, AGS 2015, 131 = RVGreport 2015, 156; ebenso Beschl. v. 4.11.2016 – 9 C 16.1684, AGS 2017, 139 = NJW-Spezial 2017, 221): Eine un...