1. Ausgangslage
Eine vorläufige Wertfestsetzung ist vom Gericht vorzunehmen, wenn Gerichtsgebühren vorauszuzahlen sind. In Familiensachen ergibt sich dies aus § 55 Abs. 1 FamGKG. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass eine vorläufige Wertfestsetzung dann nicht vorzunehmen ist, wenn keine Gerichtskosten vorauszuzahlen sind. Auch dies wird häufig nicht beachtet und führt zu fehlerhaften Gerichtskostenanforderungen.
Beispiel: Vorläufige Verfahrenswertfestsetzung im Verbundverfahren
Die Antragstellerin reicht den Scheidungsantrag ein und trägt vor, beide Eheleute würden jeweils 3.000 EUR verdienen; Kinder und Vermögen seien nicht vorhanden. Jeder Ehegatte habe eine gesetzliche und eine betriebliche Anwartschaft.
Das Gericht setzt den Verfahrenswert vorläufig auf 12.600 EUR fest (Ehesache 9.000 EUR + Versorgungsausgleich 3.600 EUR [4 × 10 % + 9.000 EUR]).
2. Vorauszahlungspflicht
Da eine vorläufige Wertfestsetzung nur dann vorzunehmen ist, wenn Gerichtsgebühren vorauszuzahlen sind, muss sich der Richter also fragen, ob und für welche Gerichtgebühren eine Vorauszahlungspflicht besteht. Dies wiederum ergibt sich in Familiensachen aus § 12 FamGKG. Danach soll die Antragsschrift in Ehesachen und Familienstreitsachen erst zugestellt werden, wenn die Gerichtsgebühr eingezahlt ist.
Die vorläufige Wertfestsetzung im Beispielsfall würde aber dazu führen, dass der Urkundsbeamte nunmehr aus dem vorläufig festgesetzten Wert i.H.v. 12.600 EUR die 2,0 Gerichtsgebühr der Nr. 1100 FamGKG-KostVerz. anfordert. Das wäre jedoch unzutreffend. Die Vorauszahlungspflicht erstreckt sich nämlich nur auf die Ehesache, nicht auch auf Folgesachen.
Zitat
§ 14 FamGKG
(1) 1In Ehesachen und selbstständigen Familienstreitsachen soll die Antragsschrift erst nach Zahlung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen zugestellt werden. 2Wird der Antrag erweitert, soll vor Zahlung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen keine gerichtliche Handlung vorgenommen werden; dies gilt auch in der Rechtsmittelinstanz.
In weiterem Umfang als das Gesetz es vorsieht, ist es nicht zulässig, die Zustellung einer Antragsschrift von der Einzahlung der Gerichtsgebühr abhängig zu machen:
Mit anderen Worten: Aus den Folgesachen darf keine Vorauszahlung erhoben werden. Darf aber danach keine Vorauszahlung erhoben werden, ist auch eine vorläufige Wertfestsetzung insoweit nicht vorzunehmen. Lediglich für den Wert der Ehesache darf eine vorläufige Wertfestsetzung vorgenommen werden, da nur aus dem Wert der Ehesache die Vorauszahlung der Gerichtsgebühr gefordert werden kann.
Werden solche fehlerhaften vorläufigen Wertfestsetzungen vorgenommen, dann wird der Kostenbeamte im Zweifel danach auch die Vorauszahlung berechnen und beim Antragsteller anfordern. Damit würde aber vom Antragsteller eine Vorauszahlung gefordert, die er gar nicht schuldet.
3. Rechtsmittel
Gegen die vorläufige Wertfestsetzung selbst ist ein Rechtsmittel nicht zulässig (OLG Köln AGS 2017, 47). Anfechtbar sind nur endgültige Wertfestsetzungen (§ 59 FamGKG). Das beruht darauf, dass durch eine vorläufige Wertfestsetzung grundsätzlich keine Beschwer eintritt.
Beschwert ist hier aber der Antragsteller dann, wenn der Urkundsbeamte aufgrund der fehlerhaften vorläufigen Wertfestsetzung eine zu hohe Gerichtsgebühr anfordert, nämlich auch aus dem Wert der Folgesache. Hierfür sieht das FamGKG eine besondere Beschwerdemöglichkeit vor, und zwar in § 58 FamGKG. Gegen die Anordnung der Vorauszahlung kann Beschwerde erhoben werden. Das Gericht muss dann innerhalb dieser Beschwerde inzidenter prüfen, ob der der angeforderten Gerichtsgebühr zugrunde gelegte Wert zutreffend ist. Verneint das Gericht dies, wird die vorauszuzahlende Gerichtsgebühr herabgesetzt.
4. Praxistipp
Bei vorläufigen Wertfestsetzungen ist zu prüfen, ob hinsichtlich des gesamten Verfahrensgegenstands eine Vorauszahlungspflicht besteht. Soweit dies nicht der Fall ist, kann allerdings der Wertfestsetzungsbeschluss nicht angefochten werden. Zutreffendes Rechtsmittel ist die Beschwerde nach § 58 FamGKG gegen die Anordnung einer Vorauszahlung.