Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat es abgelehnt, verfassungsgerichtlichen Eilrechtsschutz gegen die Vorschriften zum Schutz der Bevölkerung gegen die Corona-Pandemie zu gewähren. So entschied das Gericht im April in mehreren Verfahren, dass die Voraussetzungen für eine einstweilige Anordnung nicht gegeben sind.
Einer der abgelehnten Eilanträge (BVerfG, Beschl. v. 7.4.2020 – 1 BvR 755/20, s. auch ZAP 9/2020, F. 1 S. 60, ZAP EN-Nr. 226/2020) richtete sich gegen die Bayerische Verordnung über Infektionsschutzmaßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie (Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung – BayIfSMV) v. 27.3.2020. Der Antragsteller hatte argumentiert, mit den darin angeordneten Maßnahmen würden erheblich seine grundrechtlich geschützten Freiheiten verkürzt; so dürfe er danach derzeit etwa keine Partnerschaft anbahnen, mit anderen musizieren oder demonstrieren.
Die erheblichen Freiheitseinschränkungen für alle Bürger verkannte auch das Gericht nicht. Dementsprechend hielten die Verfassungsrichter die eingelegte Verfassungsbeschwerde gegen die VO auch nicht für offensichtlich unzulässig oder unbegründet. Im Rahmen einer Folgenabwägung sahen sie aber überwiegende Gründe dafür, die teils einschneidenden Maßnahmen zum Schutz vor weiteren Infektionen aufrechtzuerhalten. Erginge die beantragte einstweilige Anordnung und würden die Schutzmaßnahmen ausgesetzt, so würden sich nach Einschätzung der Richter voraussichtlich sehr viele Menschen so verhalten, wie es behördlich unterbunden werden sollte.
So dürften dann insb. Einrichtungen, deren wirtschaftliche Existenz durch die Schließungen beeinträchtigt wird, wieder öffnen, viele Menschen ihre Wohnung häufiger verlassen und auch der unmittelbare Kontakt zwischen Menschen dürfte häufiger stattfinden. Damit würde sich die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus, der Erkrankung vieler Personen, der Überlastung der gesundheitlichen Einrichtungen bei der Behandlung schwerwiegender Fälle und schlimmstenfalls des Todes von Menschen nach derzeitigen Erkenntnissen erheblich erhöhen.
Der Beschwerdeführer habe auch nicht dargelegt, dass die freiheitsbeschränkenden Maßnahmen gerade für ihn persönlich untragbar wären. Die hinzunehmenden Einschränkungen seien nicht derart schwerwiegend, dass es unzumutbar erschiene, sie einstweilen zurückzustellen, um einen möglichst weitgehenden Gesundheits- und Lebensschutz zu ermöglichen, zu dem der Staat aus dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit in Art. 2 Abs. 2 GG prinzipiell auch verpflichtet sei.
Mit gleicher Begründung hat das BVerfG einen Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung einer Regelung der Verordnung zur Bekämpfung des Coronavirus der hessischen Landesregierung abgelehnt, die u.a. ein Verbot von Zusammenkünften in Kirchen enthält (BVerfG, Beschl. v. 10.4.2020 – 1 BvQ 28/20). Auch hier verkannte das Gericht den schweren Eingriff in das Grundrecht der Glaubensfreiheit nicht, wertete den Schutz der Bevölkerung vor der hoch infektiösen Viruserkrankung jedoch höher. Mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit betonten die Verfassungsrichter hier allerdings auch, dass der Verordnungsgeber fortlaufend prüfen muss, ob es angesichts neuer Erkenntnisse, etwa zu den Verbreitungswegen des Coronavirus oder zur Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems, verantwortet werden kann, das Verbot von Gottesdiensten unter – ggf. strengen – Auflagen und möglicherweise auch regional begrenzt wieder zu lockern.
Nur scheinbar anders lag es bei der Aufhebung mehrerer angeordneter Versammlungsverbote, so in Hessen und Baden-Württemberg (BVerfG, Beschl. v. 15.4.2020 – 1 BvR 828/20; Beschl. v. 17.4.2020 – 1 BvQ 37/20). Dort hatten die zuständigen Behörden, die die Versammlungsverbote ausgesprochen hatten, irrtümlich angenommen, die betreffenden Corona-Verordnungen der Landesregierungen enthielten ein generelles Verbot von Versammlungen. Dementsprechend stützte das BVerfG seine einstweiligen Anordnungen auch auf eine Ermessensfehlausübung der Behörden. Die Rechtmäßigkeit der Verordnungen zog das Gericht nicht in Zweifel.
[Quelle: BVerfG]