a) Coronaschutzverordnung
Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW hat auf der Grundlage der §§ 28 Abs. 1 S. 1 und 2, 32 IfSG mit Wirkung zum 23.3.2020 die Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) erlassen. Durch eine ÄnderungsVO vom 30.3.2020 wurde sie geändert und neu gefasst am 16.4.2020 (aktueller Wortlaut: https://www.land.nrw/sites/default/files/asset/document/2020-04-16_verordnung_zur_aenderung_von_rvoen.pdf ). Die CoronaSchVO geht den vielerorts zuvor erlassenen Verfügungen örtlicher Ordnungsbehörden bezüglich inhaltsgleicher oder widersprechender Regelungen vor (§ 13). Sie weist im Wesentlichen folgen Regelungen auf:
- Verbot von Zusammenkünften und Ansammlungen in der Öffentlichkeit von mehr als zwei Personen (§ 12 Abs. 1 CoronaSchVO). Ausgenommen sind Verwandte in gerader Linie, Ehegatten, Lebenspartnerinnen und Lebenspartner sowie in häuslicher Gemeinschaft lebende Personen, die Begleitung minderjähriger und unterstützungsbedürftiger Personen, zwingend notwendige Zusammenkünfte aus geschäftlichen, beruflichen und dienstlichen sowie aus prüfungs- und betreuungsrelevanten Gründen sowie bei der bestimmungsgemäßen Verwendung zulässiger Einrichtungen unvermeidliche Ansammlungen (insb. beim öffentlichen Personennahverkehr).
- Veranstaltungen und Versammlungen sind mit wenigen Ausnahmen untersagt, ebenso Gottesdienste (§ 11 CoronaSchVO).
- Freizeit-, Kultur-, Sport- und Vergnügungsstätten wie Bars, Diskotheken, Kinos, Messen, Fitness- und Sonnenstudios, Saunen, Schwimmbäder, Spiel und Bolzplätze, Spielhallen und Prostitutionsstätten haben zu schließen (§ 3 CoronaSchVO), ebenso Hotels (§ 8 CoronaSchVO).
- Im Bereich des Handels ist erlaubt nur der Betrieb von Einrichtungen des Einzelhandels für Lebensmittel, Direktvermarktungen von landwirtschaftlichen Betrieben, Abhol- und Lieferdiensten, Getränkemärkten, Apotheken, Sanitätshäusern und Drogerien, Tankstellen, Banken und Sparkassen sowie Poststellen, Reinigungen und Waschsalons, Kiosken und Zeitungsverkaufsstellen, Tierbedarfsmärkten, und Einrichtungen des Großhandels, außerdem Handelseinrichtungen mit einer Verkaufsfläche von nicht mehr als 800 qm. Ein Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen Personen ist zu gewährleisten, die Anzahl von gleichzeitig im Geschäftslokal anwesenden Kunden darf eine Person pro 10 Quadratmeter der für die Kunden zugänglichen Ladenfläche nicht übersteigen (§ 5 CoronaSchVO).
- Sportbetrieb in Anlagen und Vereinen ist untersagt (§ 3 Abs. 3 CoronaSchVO).
- Stationäre Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen (§ 2 CoronaSchVO), Bibliotheken (§ 4 CoronaSchVO) sowie Tätigkeiten im Handwerk und Dienstleistungsgewerbe (§ 7 CoronaSchVO) unterliegen Vorgaben zum Schutz vor Infektionen. Letztere sind untersagt, wenn ein Mindestabstand von 1,5 m zum Kunden nicht eingehalten werden kann (insb. von Friseuren, in Nagelstudios).
- Der Betrieb von gastronomischen Einrichtungen ist untersagt. Die Belieferung mit Speisen und Getränken sowie der Außer-Haus-Verkauf ist zulässig, wenn die zum Schutz vor Infektionen erforderlichen Abstände eingehalten werden. Der Verzehr ist in einem Umkreis von 50 Metern um die gastronomische Einrichtung untersagt (§ 9 CoronaSchVO).
- Die Pflicht zur heimischen Quarantäne für Ein- und Rückreisende mit Ausnahme von Berufsgrenzpendlern (§§ 1, 2 CoronaEinreiseVO vom 9.4.2020, GV NRW 2020, 217a).
Die Geltungsdauer der CoronaSchVO ist gegenwärtig beschränkt bis zum 3.5.2020 (§ 17). Als Grundlage für straf- und bußgeldrechtliche Folgen nach den Blankettvorschriften der §§ 73 ff. IfSG handelt es somit um Zeitgesetze gem. §§ 2 Abs. 4 StGB, 4 Abs. 4 OWiG (Schönke/Schröder/Hecker, StGB, 30. Aufl. 2019, § 2 Rn 35, 36; zu einer PolizeiVO BayObLG NJW 1962, 825). Das zeitliche Meistbegünstigungsprinzip gilt nicht. Der Wegfall der CoronaSchVO nach der Bewältigung der Krise ändert daher an der Strafbarkeit oder Bußgeldpflichtigkeit begangener Zuwiderhandlungen nichts.
b) Wirksamkeit der Beschränkungen
Die einschlägigen Straf- und Bußgeldnormen des IfSG beziehen sich als Blankettstrafnormen auf Verordnungen oder Verfügungen der Exekutive. Voraussetzung für die Festsetzung straf- oder bußgeldrechtlicher Folgen ist daher die Wirksamkeit der zugrunde liegenden Anordnungen. Die Verfassungs- und Verwaltungsgerichte haben dem Verordnungsgeber bislang im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes einen weiten Beurteilungsspielraum zugebilligt. Maßgebend ist dabei der vorrangige Gesundheitsschutz sowie die Befristung der Maßnahmen (BVerfG, Beschl. v. 7.4.2020 – 1 BvR 755/20, juris) So wurde als zulässig erachtet:
- die Ausgangsbeschränkungen in Bayern (BVerfG a.a.O.; BayVerfGH, Entsch. v. 26.3.2020 – Vf. 6-VII-20, juris),
- die Einschränkung der Versammlungsfreiheit, außer wenn die verbietende Ermessensentscheidung der Versammlungsbehörde ohne hinreichende Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls erfolgt (BVerfG, Beschl. v. 15.4.2020 – 1 BvR 828/20, juris),
- die Schließung von Einzelhandelsgeschäften (VGH München, Beschl. v. 30.3.20...