1. Bestätigung der Aufgabe der "Kopf- und Seele"-Rechtsprechung; Weiterentwicklung der Rechtsprechung zur beanstandungslosen Betriebsprüfung
Der 12. Senat des BSG hat in vier Urteilen zum Versicherungs- und Beitragsrecht vom 19.9.2019 einmal seine früheren Entscheidungen zur Aufgabe der "Kopf- und Seele"-Rechtsprechung (Urt. v. 29.7.2015 – B 12 KR 23/13 R, hierzu ZAP F. 18, S. 1454 f. und Stotz, JM 2016, 199; ferner Urt. v. 11.11.2015 – B 12 R 2/14 R u.a., hierzu Legde, SGb 2017, 25 ff.) bestätigt, jedoch gleichzeitig seine Rechtsprechung zur beanstandungslosen Betriebsprüfung weiterentwickelt (zur sozialversicherungsrechtlichen Statusfeststellung s. ferner Schlegel, NJW 2020, 16 ff.).
Hinsichtlich der Versicherungspflicht in allen Bereichen der Sozialversicherung ist abzustellen auf § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV, und zwar auf die Beschäftigung in nichtselbstständiger Arbeit, insb. in einem Arbeitsverhältnis. Vor allem bei der Tätigkeit als GmbH-Geschäftsführer ist der Beschäftigungsbegriff immer wieder Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen gewesen. Während Vorstände von Aktiengesellschaften von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung ausgeschlossen sind (§ 1 S. 3 SGB VI, § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III – und da sie regelmäßig Bezüge haben, die über der Beitragsbemessungsgrenze liegen, sind sie regelmäßig auch nicht gesetzlich krankenversichert), ist bei der Beurteilung der Beschäftigung von Geschäftsführern einer GmbH zu differenzieren: Diese werden zwar nicht als Arbeitnehmer i.S.d. Arbeitsrechts angesehen (§ 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG), sie können aber als Beschäftigte i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV sozialversicherungspflichtig sein, wenn
- sie entweder keine Geschäftsanteile halten (sog. Fremdgeschäftsführer) oder
- nur Minderheitsgesellschafter sind, es sei denn, besondere Umstände des Einzelfalls schlössen eine persönliche Abhängigkeit vom Arbeitgeber aus, wie etwa das Einräumen einer Sperrminorität.
In der Vergangenheit hat das BSG entschieden, ein Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden sei, solle ausnahmsweise nicht als abhängig Beschäftigter anzusehen sein, wenn er als "Kopf und Seele" der Gesellschaft diese wie ein alleiniger Inhaber nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat (Urt. v. 9.12.1987 – 7 RAr 25/86).
In den aktuell entschiedenen Verfahren sind die gegen die Feststellung von Versicherungspflicht gerichteten Revisionen erfolglos geblieben. Bei den im Rechtsstreit beigeladenen GmbH-Geschäftsführern handelte es sich in drei Fällen um Minderheitsgesellschafter, die über keine Sperrminorität verfügten, ein Fall betraf einen Fremdgeschäftsführer. Das BSG hält an seiner Rechtsprechung aus dem Jahr 2015 fest.
Nach Auffassung des BSG können die klagenden GmbHs keinen Vertrauensschutz nach Art. 20 Abs. 3 GG aufgrund der Rechtsprechungsänderung beanspruchen. Das Gericht begründet dies damit, es bestehe grds. kein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand höchstrichterlicher Rechtsprechung, sondern nur bei Hinzutreten weiterer Umstände, insb. bei einer in jeder Hinsicht gefestigten und langjährigen Rechtsprechung. Das BSG habe jedoch in der Vergangenheit nur vereinzelt familiäre Umstände lediglich als Teilaspekt in die Gesamtwürdigung der typusbildenden Kriterien einbezogen. Eine gefestigte "Kopf-und-Seele"-Rechtsprechung habe nicht bestanden. Vertrauensschutz bestehe auch nicht aufgrund vorangegangener, beanstandungslos gebliebener Betriebsprüfungen. Hierzu hatte der Rentenversicherungsträger lediglich pauschal gehaltene Prüfmitteilungen übersandt, die mangels Regelungsgehalts keinen Verwaltungsakt darstellen, der Grundlage für Vertrauensschutz sein könnte.
Das BSG entwickelt allerdings seine Rechtsprechung in diesem Punkt nunmehr fort: Es verpflichtet die Rentenversicherungsträger, künftig auch bei beanstandungsfreien Betriebsprüfungen das Verfahren durch einen Verwaltungsakt abzuschließen, der den Umfang, die geprüften Personen und das Ergebnis der Prüfung festhält. Zwingend ist der Status von im Betrieb tätigen Ehegatten, Lebenspartnern, Abkömmlingen des Arbeitgebers sowie geschäftsführender GmbH-Gesellschafter einzubeziehen (BSG, Urt. v. 19.9.2019 – B 12 R 25/18 R).
Hinweise:
In mehreren Urteilen vom 7.6.2019 – B 12 R 11/18 R u.a. hat das BSG entschieden, dass Personen, die als Honorarärzte in einem Krankenhaus tätig sind, regelmäßig abhängig beschäftigt sind und der Sozialversicherungspflicht unterliegen (hierzu Erkelenz, jurisPR-SozR 3/2020 Anm. 2 u. Hamann, jurisPR-ArbR 41/2019 Anm. 4). Aus Rn 26 der Entscheidung wird deutlich, dass für dieses Ergebnis besonders die bestehenden regulatorischen Rahmenbedingungen – u.a. § 107 Abs. 1 SGB V – entscheidend sind. Ebenso sind im Ergebnis Entscheidungen des BSG zur Statusfeststellung von Honorarpflegern in stationären Pflegeeinrichtungen ausgefallen (Urt. v. 7.6.2019 – B 12 R 6/18 R u.a., hierzu Timme, jurisPR-SozR 5/2020 Anm. 2).
Ferner ist die im Berichtszeitraum ergangene Entscheidung des LSG BW vom 8.8.2019 – L 7 BA 3027/18 erwähnenswert, die einen als Subunternehmer für ein Bauunternehmen tätigen Maurer als