Mit Wirkung ab dem 26.2.2013 hat der Gesetzgeber § 13 Abs. 3a in das SGB V eingefügt, der die Genehmigungsfiktion eines nicht fristgerecht beschiedenen Leistungsantrags und deren Rechtsfolgen regelt. Nach bisheriger Rechtsprechung des BSG (s. hierzu die Verfasser, s. etwa ZAP F. 18, S. 1689 f. m.w.N.) führte ein Verstoß der Krankenkasse gegen die ihr obliegenden Verpflichtungen aus § 13 Abs. 3a S. 1–5 SGB V einmal zu einem Kostenerstattungs- und Freistellungsanspruch, wie sich aus Satz 7 der Vorschrift ergibt. Dieser setzt allerdings voraus, dass Kosten tatsächlich entstanden bzw. Versicherte einer wirksamen Kostenforderung ausgesetzt sind. Auch ist Selbstbeschaffung zeitlich erst nach Ablauf der in der Vorschrift genannten Entscheidungsfristen zulässig; ein Kostenerstattungsanpruch ist in diesem Fall auch dann ausgeschlossen, wenn die Krankenkasse später nicht fristgerecht entscheidet (BSG, Urt. v. 27.10.2020 – B 1 KR 3/20 R).
Ferner waren Versicherte nach dieser Rechtsprechung nicht verpflichtet, nach Eintritt der Genehmigungsfiktion der beantragten Leistung sich diese selbst zu beschaffen. Ihnen wurde ferner das Recht zugesprochen, den fortbestehenden Sachleistungsanspruch (Naturalleistungsanspruch) geltend zu machen und zwar selbst dann, wenn die Krankenkasse später den Leistungsantrag ablehnte. In für die Versicherten nachteiliger Weise hat nunmehr der 1. Senat des BSG durch Urteil vom 26.5.2020 (B 1 KR 9/18 R, NJW 2020, 3267 mit kritischer Anm. Kellner, a.a.O., 3272) seine Rechtsprechung geändert. Der 3. Senat des BSG hat sich dem angeschlossen (u.a. Urt. v. 18.6.2020 – B 3 KR 14/18 R; s. auch Bockholdt NZS 2021, 31).
Eine fingierte Genehmigung nach dem Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung soll nunmehr, unter ausdrücklicher Aufhebung der früheren Rechtsprechung, keinen eigenständigen Naturalleistungsanspruch mehr begründen. Die Versicherten sind insoweit auf die Möglichkeit der Selbstbeschaffung mit Anspruch auf Kostenerstattung beschränkt. Dieser besteht auch bei materieller Rechtswidrigkeit der selbst beschafften Leistung, sofern die Versicherten im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vom Nichtbestehen des materiellen Leistungsanspruchs haben. Das BSG entwickelt insofern seine bisherige Rechtsprechung fort, als es als Maßstab für die „Gutgläubigkeit” nunmehr auf die Vorschrift des § 18 Abs. 5 SGB IX abstellt.
Ferner entscheidet das BSG jetzt, dass Versicherte die Aufhebung eines (endgültigen) Ablehnungsbescheids nicht mit der Begründung verlangen können, dass eine Genehmigungsfiktion eingetreten sei. Die nach Fristablauf fingierte Genehmigung eines Antrags auf Leistungen habe keine Verwaltungsaktqualität. Durch den Eintritt der Genehmigungsfiktion werde das durch den Leistungsantrag in Gang gesetzte Verwaltungsverfahren nicht abgeschlossen. Die Krankenkassen sind weiterhin berechtigt und verpflichtet, über den gestellten Antrag zu entscheiden. Ist über den materiell-rechtlichen Leistungsanspruch bindend entschieden, endet das durch die Genehmigungsfiktion begründete Recht auf Selbstbeschaffung der beantragten Leistung auf Kosten der Krankenkasse. Danach ist die durch die Vorschriften des § 13 Abs. 3a S. 6 und 7 SGB V vermittelte Rechtsposition eine endgültige, soweit es um den Kostenerstattungsanspruch für den jeweiligen Beschaffungsvorgang im laufenden Verfahren geht. Diese Rechtsposition ist in ihrer Dauer hingegen vorläufig; der Hinweis des BSG in Rn 31 der Entscheidungsgründe auf die Berücksichtigung der Dauer des Verwaltungs- einschließlich des nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens kann so verstanden werden, dass Versicherte mit Widerspruch und Klage gegen den Ablehnungsbescheid ihre Rechtsposition hinauszögern können.