1. Anrechnung von Betriebskostenguthaben auf Leistungen für Unterkunft und Heizung
Leistungen nach dem SGB II setzen Hilfebedürftigkeit voraus (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II), die insb. dann in Betracht kommt, wenn der Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenem Einkommen bestritten werden kann, § 9 Abs. 1 S. 1 SGB II. Das BSG hat in seinem Urteil vom 24.6.2020 (B 4 AS 8/20 R) entschieden, in welcher Weise Rückzahlungen aus Betriebskostenguthaben auf das Arbeitslosengeld II angerechnet werden (s. hierzu auch Bender NZS 2020, 914).
Die verheirateten Kläger erhielten vom Beklagten zunächst vorläufig, später – in niedrigerer Höhe – endgültig bewilligtes Arbeitslosengeld II. Dem Konto des Klägers wurden im Februar 2016 744,46 EUR aus einer Betriebskostenabrechnung des Vermieters gutgeschrieben. Der Beklagte rechnete die Gutschrift in den Monaten März bis Juni 2016 jeweils zu einem Sechstel bei den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung an. Die Klage und die Berufung auf höhere Leistungen für Juni 2016 waren ohne Erfolg. Mit ihrer Klage rügten die Kläger eine Verletzung von § 22 Abs. 3 SGB II.
Nach § 22 Abs. 3 Hs. 1 SGB II werden dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnende Rückzahlungen und Guthaben im Monat nach der Rückzahlung oder Gutschrift von den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung abgezogen. Hiervon ausgenommen sind Rückzahlungen für Haushaltsenergie und nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, § 22 Abs. 3 Hs. 2 SGB II. Verbleibt ein Restbetrag, wird dieser im folgenden Monat vollständig auf die Unterkunfts- und Heizungsaufwendungen angerechnet. Allgemein für die Anrechnung einmaliger Einnahmen bestimmt § 11 Abs. 3 S. 2 SGB II, dass diese im Monat des Zuflusses angerechnet werden. Im Folgemonat werden sie angerechnet, wenn sie für den Zuflussmonat bereits gewährt wurden, § 11 Abs. 3 S. 3 SGB II. Bei Wegfall des Leistungsanspruchs infolge der vollständigen Anrechnung der einmaligen Einnahme wird diese gleichmäßig auf sechs Monate verteilt und je Monat zu 1/6 angerechnet, § 11 Abs. 3 S. 4 SGB II.
Das BSG sah (Rn 28–35 der Urteilsgründe) für die Verteilung des Betriebskostenguthabens auf sechs Monate keine Rechtsgrundlage. Die Einkommensanrechnung von unterkunftsbezogenen Rückzahlungen und Guthaben werde durch die abschließende Sonderregelung in § 22 Abs. 3 SGB II ausgeschlossen. Die Regelung soll nicht die Entlastung des Bundes, sondern der kommunalen Träger, die für die Unterkunftskosten aufzukommen haben, sicherstellen (BT-Drucks 16/1699, S. 26 f.). Dies stehe der Verteilung nach § 11 Abs. 3 SGB II entgegen. Dessen Anwendung folge weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zweck von § 22 Abs. 3 SGB II. Dagegen spreche auch die Gesetzessystematik von § 22 Abs. 3 SGB II, nach der Rückzahlungen und Gutschriften i.S. dieser Vorschrift nur die Kosten für Unterkunft und Heizung mindern. Der Anwendung von § 11 Abs. 3 SGB II stünde weiterhin der enge Zusammenhang mit § 11b Abs. 1 S. 2 SGB II entgegen.
Hinweis:
Nach § 11b Abs. 1 S. 2 SGB II sind die nach § 11b Abs. 1 S. 1 SGB II abzusetzenden Beträge für auf das Einkommen zu entrichtende Steuern, Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung, mit der Erzielung des Einkommens verbundene Ausgaben und der Zusatzabsetzungsbetrag bei einer Erwerbstätigkeit vor der Verteilung nach § 11 Abs. 3 S. 4 SGB II abzusetzen.
Das BSG hat das Urteil des LSG aufgehoben, das Urteil des SG geändert und die Leistungen für Unterkunft sowie Heizung auf 124,07 EUR festgesetzt.
2. Ermittlung angemessener Unterkunfts- und Betriebskosten
Die i.R.d. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im SGB II zu übernehmenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden i.H.d. tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind, § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II (ebenso § 35 Abs. 1 S. 1 SGB XII). Dazu, wie der Begriff der Angemessenheit auszufüllen ist, schweigt das Gesetz und überlässt dies den Gerichten. Einen zusammenfassenden Überblick der insoweit einschlägigen neueren Rechtsprechung gibt Berlit (s. info also 2020, 249 ff. [Teil 1] und info also 2021, 11 ff. [Teil 2]).
Das BSG hat in seinem Urteil vom 17.9.2020 (B 4 AS 22/20 R) entschieden, dass ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung angemessener Unterkunftsbedarfe auf der Grundlage von Angebotsmieten erstellt werden kann, wenn zu den so ermittelten Angemessenheitswerten ausreichend Wohnraum zur Verfügung steht. Der Zeitraum, für den die Angebotsmieten ermittelt werden, muss nicht mit dem Kostensenkungszeitraum nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II synchron sein.
Der Beklagte bewilligte dem im laufenden SGB II-Leistungsbezug stehenden alleinstehenden Kläger ab dem 1.11.2013 Leistungen für Unterkunftskosten i.H.v. monatlich 363,50 EUR. Im Oktober 2014 gab der Beklagte bei einem Forschungs- und Beratungsinstitut ein Gutachten zur Angemessenheit der Kosten für die Unterkunft in Auftrag. Dieses wies bei Alleinstehenden für die Bruttokaltmiete einen Betrag von 290 EUR aus. Nachdem sich die Gesamtmiete des Klägers ab dem 1.11.2016 auf 445,99 EUR erhöhte (284,99 EUR Grundmiete, 88 EUR Betriebskosten, 73 EUR Heizkosten), forderte der Beklagte den Kläger auf,...