Der Anspruch auf Arbeitslosengeld (s. § 136 Abs. 1 Nr. 1 SGB III i.V.m. § 137 ff. SGB III) setzt zunächst Arbeitslosigkeit (§ 138 Abs. 1 SGB III) voraus, und u.a., dass die Berechtigten nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen (§ 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Nach gefestigter Rechtsprechung des BSG ist der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses kontextabhängig und funktionsdifferent auszulegen: Unterschieden wird zwischen dem Begriff der Beschäftigung im
- versicherungsrechtlichen,
- im leistungsrechtlichen Sinne und
- hinsichtlich der bemessungsrechtlichen Beurteilung (s. Sartorius/Winkler ZAP F. 18, S. 1634 f. u. 1746 jeweils m.w.N.).
Praxisrelevant ist vor allem die Unterscheidung des versicherungsrechtlichen und des leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses:
Funktion des für die Dauer und die Höhe des Anspruchs auf Arbeitslosengeld zuerst genannten Begriffs ist es, den Versicherungsschutz in der Sozial- und Arbeitslosenversicherung zu gewähren. Deshalb ist das Beschäftigungsverhältnis im versicherungsrechtlichen Sinn auch bei tatsächlicher Nichtbeschäftigung nicht beendet, wenn und solange eine Pflicht des Arbeitgebers zur Fortzahlung des Arbeitsentgelts besteht (etwa wegen Annahmeverzugs).
Dagegen hat die Anspruchsvoraussetzung des Nichtbestehens eines leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses im Rahmen von § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III die Funktion, das durch Leistungen der Arbeitslosenversicherung erfasste Risiko zu bestimmen und zu begrenzen. Arbeitnehmer stehen – unbesehen des Fortbestehens von Arbeitsverhältnissen – regelmäßig (erst) dann nicht mehr in einem leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis, wenn die Beschäftigung faktisch ein Ende gefunden hat, d.h., wenn die diese prägende persönliche Abhängigkeit der Beschäftigten von ihren Arbeitgebern entfällt. Dazu haben entweder der Arbeitgeber auf seine faktische Verfügungsgewalt (Direktionsrecht) zu verzichten oder Arbeitnehmer ihre Dienstbereitschaft aufzugeben, was nach einer Gesamtwürdigung der tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall zu beurteilen ist. Besondere Bedeutung haben hierbei Erklärungen der Parteien des Arbeitsverhältnisses, sie können jedoch auch unbeachtlich sein, wenn sie nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmen, auf die es maßgeblich ankommt.
Der Kläger der hier zu referierenden Entscheidung (BSG, Urt. v. 24.6.2020 – B 11 AL 3/19 R, Parallelentscheidung zu BSG, Urt. v. 12.9.2019 – B 11 AL 20/18 R, zu dieser s. Sartorius/Winkler ZAP F. 18, 1746 f und nunmehr Sommer, jurisPR-SozR 23/2020 Anm. 1) war in seinem Arbeitsverhältnis als Küchenhelfer in einem Klinikum ab dem 13.4.2012 arbeitsunfähig erkrankt und bezog vom 25.5.2012 bis zum 28.8.2013 Krankengeld, unterbrochen durch den Bezug von Übergangsgeld während einer Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation im Zeitraum vom 27.6.2012 bis 29.8.2012. Bei Entlassung aus dieser Maßnahme wurde dem Kläger vorübergehende Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, jedoch sei aus sozialmedizinischer Sicht auf Dauer sowohl für die letzte Tätigkeit als Küchenhilfe als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von einem Leistungsvermögen von täglich über 6 Stunden auszugehen. Ein im März 2013 gestellter Antrag des Klägers auf Erwerbsminderungsrente blieb erfolglos.
Am 11.7.2013 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Er erklärte, alle Möglichkeiten zu nutzen, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden, sowie seine Bereitschaft, sich im Rahmen eines durch den ärztlichen Dienst festgestellten Leistungsvermögens für die Vermittlung zur Verfügung zu stellen. Ferner gab er an, weiterhin arbeitsunfähig zu sein und reichte in der Folgezeit weitere ärztliche Bescheinigungen ein. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, da der Kläger sei seit dem 4.3.2013 arbeitsunfähig und nicht verfügbar sei. Der Widerspruch blieb erfolglos. Ein Gutachten des ärztlichen Dienstes der Beklagten vom 27.9.2013 bescheinigte dem Kläger, dass er prognostisch für einen Zeitraum von sechs Monaten weniger als drei Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts zur Erwerbstätigkeit in der Lage sei. Bei Eröffnung des Gutachtens am 8.10.2013 erklärte der Kläger bei einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten, er sei krank und könne nicht arbeiten. Das SG hat die Beklagte verurteilt, Arbeitslosengeld vom 21.8.2013 bis zum 8.10.2013 zu leisten, danach fehle es an der subjektiven Verfügbarkeit des Klägers aufgrund seiner Ausführungen bei der Vorsprache am 8.10.2013. Gegen dieses Urteil hat nur der Kläger Berufung eingelegt.
Auf Nachfrage hat der Personalleiter des Arbeitgebers telefonisch gegenüber dem LSG erklärt, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger habe wegen dessen Erkrankung lediglich vorübergehend geruht. Am 28.4.2015 habe der Kläger seine Arbeit wieder aufgenommen. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen, weil keine Beschäftigungslosigkeit bestehe und zur Begründung neben der Auskunft des Personalleiters ferner darauf abgestellt, der Arbeitgeber habe in der Arbe...