Es fragt sich daher, ob es über die vom OLG Hamburg innerhalb des UWG thematisierten Wertungswidersprüche nicht auch solche gibt, die mit der Berufsausübungsfreiheit (dem „Wie” der Berufsausübung, Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG, bzw. Art. 15 Charta der Grundrechte der Europäischen Union – „Berufsfreiheit und Recht zu arbeiten”) der rechtsdienstleistenden Berufe zusammenhängen. Sicherlich erfüllt das UWG insofern als Schrankengesetz seinen Zweck. Die Frage der Verhältnismäßigkeit der Eingriffe in den Berufsausübungsalltag der Rechtsdienstleister wird aber davon abhängen, wie weit die Rechtsprechung mit ihrer Auslegung der betreffenden UWG-Normen und der Beauftragtenhaftung (§ 8 Abs. 2 UWG) noch gehen wird, insb. ob hier nicht bei Rechtsdienstleistern das Korrektiv der Unverhältnismäßigkeit (s. III. 4.) greift. An dieser Stelle kann nur auf die doch sehr gravierenden Unterschiede zwischen Berufspflichten und UWG-Haftungsgefahr hingewiesen werden.
a) Inkassounternehmen
Ein Inkassounternehmen (§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG) hat nach der Rechtsprechung (s. z.B. VG Berlin, Urt. v. 25.8.2011 – VG 1. K 5.10) keine Verpflichtung zur materiellen Rechtsprüfung der ihm zum Zwecke des Forderungseinzuges übertragenen Fälle. Das entspricht auch der ständigen Praxis der Aufsichtsbehörden. Sofern es zu Aufsichtsbeschwerden z.B. dahingehend kommt, es bestehe tatsächlich gar kein Vertragsverhältnis oder die Kündigung eines Vertrags sei längst erfolgt u.Ä., verweisen die Aufsichtsbehörden den Beschwerdeführer auf den Weg, sein Rechtsverhältnis zivilrechtlich mit dem (angeblichen) Gläubiger zu klären. Dem Inkassounternehmen wird in solchen Fällen bestätigt, ordnungsgemäß seine Dienstleistung (Vertretung der Interessen des Auftraggebers) erbracht zu haben.
b) Rechtsanwälte
Nach § 43a Abs. 3 S. 2 BRAO (entsprechend auch Ziffer 4.4 der CCBE-Berufsregeln) darf ein Rechtsanwalt bei seiner Berufsausübung nicht bewusst die Unwahrheit verbreiten. Das sog. Lügeverbot, das wohl eine Marktverhaltensregelung ist (letztendlich offengelassen vom BGH, Urt. v. 10.1.2013 – I ZR 190/11, Rn 30 – Standardisierte Mandatsbearbeitung, zu § 4 Nr. 11 UWG a.F.; jetzt § 3a UWG), gilt uneingeschränkt und gegenüber jedermann einschließlich Behörden und Gerichten, dem gegnerischen Mandanten, dem gegnerischen Rechtsanwalt als auch gegenüber Zeugen und anderen Prozessbeteiligten sowie dem eigenen Mandanten (Feuerich/Weyland/Träger, BRAO, 9. Aufl., § 43a Rn 38). Ein bewusstes, wider besseres Wissens erfolgtes Verbreiten der Unwahrheit setzt voraus, dass der Rechtsanwalt um die Unwahrheit seiner Tatsachenbehauptung positiv weiß. Den Rechtsanwalt trifft grds. keine besondere Pflicht unklare Sachverhalte auszuforschen oder zweifelhafte Informationen des Mandanten aufzuklären. Er darf grds. den Angaben seines Mandanten vertrauen; eine Aufklärungspflicht würde das Vertrauensverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und dem Mandanten zerstören (Feuerich/Weyland/Träger, BRAO, 9. Aufl., § 43a Rn 40). Dies gilt auch nach einer aus tatsächlichen Gründen verlorenen Instanz und bei der Einlegung von Rechtsmitteln. Der Anwalt ist als Interessenvertreter und Dienstleister nicht der erste Richter seines eigenen Mandanten. Eine Ausnahme kann im Einzelfall bestehen, wenn sich berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der Ausführungen ergeben.