Fast zwei Jahre nach Einstellung des Strafverfahrens zum Loveparade-Unglück hat eine Expertenkommission jetzt Vorschläge gemacht, wie solche Großlagen in Zukunft juristisch besser aufgearbeitet werden können. Einer der Vorschläge: Die Verjährungsregelung sollte verändert werden.
Bei der Techno-Veranstaltung vor zwölf Jahren in Duisburg waren 21 Menschen gestorben und mehr als 600 weitere verletzt worden. Das Strafverfahren gegen ursprünglich zehn Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung war 2020 nach mehr als 180 Sitzungstagen ohne ein Urteil eingestellt worden. Bereits zuvor war das Verfahren gegen sieben von ihnen eingestellt worden; die am Ende übrig gebliebenen Angeklagten hatten einer Verfahrensbeendigung durch Zahlung einer Geldstrafe i.H.v. etwa 10.000 EUR nicht zugestimmt. Schließlich stellte das Gericht das Verfahren angesichts des unmittelbar bevorstehenden Eintritts der absoluten Verjährung ergebnislos ein.
Damit sich ein derartiger Verfahrensablauf nicht wiederholt, hatte eine vom Landtag eingesetzte Expertenkommission vor eineinhalb Jahren ihre Arbeit aufgenommen; sie setzte sich aus Richtern, Staatsanwälten, Opferanwälten, Strafverteidigern und Professoren zusammen. In ihrem Abschlussbericht machte die Kommission jetzt eine Reihe von Vorschlägen, wie komplexe Verfahren künftig schneller und transparenter ablaufen können. Unter anderem sollten nach Meinung der Experten die zuständigen Strafkammern von anderen Aufgaben entlastet werden. Zudem solle eine gemeinsame Institution von Bund und Ländern, vergleichbar etwa mit der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung, eingerichtet werden. Diese könnte dann jeweils bei größeren Ereignissen zum Zug kommen und beim Aufbau einer bundesweiten Sachverständigendatenbank helfen, auf die Gerichte bei komplexen Verfahren zeitnah zugreifen könnten. Im Interesse eines besseren Opferschutzes fordert die Kommission auch, dass die zuständige Strafkammer bereits während eines Verfahrens einen Mindestbetrag an Schadenersatz zusprechen könnte, ohne dass dadurch bereits Ansprüche durch erlittene Verletzungen oder andere Folgen eines Unglücks bewertet und anerkannt werden.
Insbesondere nahmen die Rechtsexperten die Verjährung in den Blick. Ihrer Auffassung nach sollte eine mögliche Verjährung von Vorwürfen bereits mit dem Beginn einer Hauptverhandlung ausgeschlossen werden, nicht erst mit dem gesprochenen Urteil. Zwar sei dafür eine Änderung des StGB erforderlich; ein Abbruch wegen Verjährung mitten im Verfahren sei aber mit dem Gerechtigkeitsgedanken nicht vereinbar und trage v.a. aus Sicht der Betroffenen nicht zum Rechtsfrieden bei. Wenn in laufender Hauptverhandlung Verjährung drohe, würden Gerichte entweder zu "Scheinverhandlungen" oder zu einer "Überbeschleunigung im Sinne eines Hauruck-Verfahrens" gezwungen, erläuterte der Kommissionsvorsitzende Clemens Lückemann diesen Vorschlag. Beides sei mit der Würde des Gerichts und der Rolle der Justiz als dritter Staatsgewalt unvereinbar.
[Red.]